Als ich begann Das Buch Gabriel von DBC Pierre zu lesen, war ich gespannt, was mich erwarten würde. Immerhin wird es in einem Zuge mit de Sade, David Foster Wallace und Burroughs genannt. Das Buch ist Teil einer lose verbundenen Trilogie, in der unsere heutige Zeit als Endzeit beschrieben wird. Für das erste Buch Jesus von Texas hat DBC Pierre den Booker Prize erhalten. Der Klappentext verspricht eine Allegorie unserer Zeit und eine saftige Abrechnung mit dem Kapitalismus. Wie gesagt, es hörte sich alles sehr vielversprechend an…
von DENISE BÖHLKE
Gabriel Brockwell, durch Alkohol, Drogen und letztendlich seinen Vater in eine Rehaklinik eingewiesen, beschließt erstens, sich umzubringen und zweitens, dass es ja nicht sofort sein muss. Damit tritt er in eine Schwellenphase zwischen Leben und Tod ein, in der er es noch einmal so richtig krachen lassen will. Um das zu tun, sucht er seinen alten Freund Smuts auf. Auf diesem Weg führt es ihn nach Japan, wo die Verwicklungen beginnen. Sein Freund ist Koch und arbeitet in einem Restaurant, wo er das Geheimnis der Zubereitung von giftigen Kugelfischen lernt. Während Smuts Gabriel kulinarisch auf höchstem Niveau verwöhnt, endet der Abend für einen anderen Gast tödlich. Smuts landet im Gefängnis und nur Gabriel hat es in der Hand, ihn da wieder heraus zu holen. Er muss für Smuts Chef einen Auftrag erledigen. Dieser Auftrag besteht darin, in Berlin eine Location für die dekadenteste und abgehobenste Party zu finden und zur Verfügung zu stellen. Dort sollen die erfolg- und einflussreichsten Kapitalisten einen Abend erleben, den sie nie wieder vergessen werden. Das ausschweifende Gelage findet statt. Den Gästen werden exotische Gerichte serviert, die unter Naturschutz stehende Tiere enthalten. Sie trinken den kostbarsten Wein, den es auf der Welt gibt und feiern eine ordentliche Sex-Orgie. Die Abrechnung mit dem Kapitalimus bleibt dagegen aus.
Was sich hier so schnell wiedergeben lässt, zieht sich auf knapp 400 Seiten in Form von Gabriels detailliert beschriebenen Alkohol und Drogenexzessen während der Suche nach dieser Location. Dabei kommt es ständig zu Verwicklungen und Zufällen, die einerseits unglaublich unwahrscheinlich sind und andererseits, wenn man erst einmal verstanden hat, wie die Story so funktioniert, sehr vorhersehbar sind. Zum Beispiel besitzt ein alter Bekannter von Gabriels Vater einen Kiosk im Flughafen Tempelhof, wo es die ultimative Location für die bevorstehende Party geben soll. Anfangs hat Gabriel weder eine Ahnung, wie diese ultimative Location aussieht, noch wo sie sich befinden soll. Aber rein zufällig zeigt ihm Gerd, der Kioskbesitzer, eines Tages seinen Lagerraum, der sich genau in den Katakomben des Tempelhofer Flughafens befindet. Ein anderes Mal will Gabriel dem gescheiterten Kioskbesitzer, der niemals Almosen annehmen würde, einen Diamanten, den er von seinem Auftraggeber geschenkt bekommen hat, zufällig in die Hände kommen lassen. Dazu lässt er ihn einfach fallen, als beide durch den Flughafen gehen. Natürlich glaubt Gerd nicht daran, dass dort vor ihnen ein echter Diamant liegen könnte und schenkt ihm dem nächsten vorübergehenden Kind. Dass es so kommen wird, ahnt man als Leser schon, wenn Gabriel diesen Plan schmiedet.
Überraschend war dann das Ende des Buches. Zu Beginn hegt man eine Befürchtung bei den Worten Gabriels: „Ich habe beschlossen mich umzubringen, aber es muss ja nicht sofort sein.“ Diese Befürchtung wird nicht nur bestätigt. Es kommt noch schlimmer. Am Ende findet nicht nur der Selbstmord nicht statt, es wird begleitet von einer sehr offensichtlichen „Der-Weg-des-Erwachsenwerdens-ist-sehr-schwer“-Moral. Keine positive Überraschung, sondern für meinen Geschmack eher eine viel zu flache Auflösung der Konflikte.
Einige gute Momente kann man dem Buch jedoch abgewinnen. Bei ein paar komischen Stellen musste ich tatsächlich schmunzeln. Die Sprache dagegen wirkt als hätte DBC Pierre gelernt wie man eben witzigeBücher so schreibt. Nicht schlecht, aber auch nicht originell. Es macht den Eindruck als hätte DBC Pierre sein Handwerk erlernt. Aber mehr auch nicht.
Letztendlich sind meine Erwartungen einfach nur enttäuscht worden. Originell ist an diesem Buch gar nichts. Weder die Story, noch die Charaktere, noch die Sprache. Aber mit Oliver Pocher könnte man es bestimmt verfilmen und ins Kino bringen.