Vom Schwimmen gegen den Strom

Früher einmal hatte ich mehr Träume, so wie andere auch. Sie sind verschwunden.“

Gyrdir Elíassons neuster Roman „Am Sandfluss. Pastoralsonate“ ist eine Geschichte über Einsamkeit, Demut und Sehnsucht. Und doch erstaunlicherweise weniger Bedrückend als  solch Thematiken meist erscheinen. von Lea Jockisch

Die Geschichte wird aus der Sicht des namenslosen Protagonisten erzählt. Ein Maler, geschieden und alleine in einer Wohnwagensiedlung irgendwo in einem Wald, nahe des Flusses Sandá, in Island lebend.

Seine Tage verbringt er mit Spaziergängen, die er zur Inspiration nutzt und anhand derer er Ideen für neue Motive schöpft, die er später versucht, in einem seiner zwei Wohnwagen, auf die Leinwand zu bringen. Vorzugsweise malt er Bäume, nennt es selber den Versuch sich durch das dunkle Gestrüpp seines eigenen Seelenlebens hindurchzufinden.

Malt er nicht, liest er Bücher über Bäume, oder andere Maler. Aber doch am liebsten über Bäume.

Kontakt zu Menschen hat er grundsätzlich selten, scheint ihn sogar bevorzugt zu vermeiden. Die Nachbarn der Wohnwagensiedlung kennt er kaum, geht ihnen wenn möglich aus dem Weg und fühlt sich wohl damit. Mit dem unerwarteten Besuch seines Sohnes kann er ebensowenig anfangen, sodass dieser nicht nur schnell endet, sondern auch einmalig und bedeutungslos bleibt. Seine Tochter und auch seine Frau hat er seit Jahren nicht mehr gesehen. Und so ist er alleine. Und er ist es gerne.

Der Roman ist zweigeteilt in Sommer und Herbst. Im Sommer erzählt der Protagonist rückblickend über die, in Island doch recht kurze Jahreszeit. Der Herbst hingegen ist gegenwärtig und für ihn vor allem die Zeit des Philosophierens. Auch, und vor allem, über seine Träume. „Früher einmal hatte ich mehr Träume, so wie andere auch. Sie sind verschwunden.“ Diese Erkenntnis scheint ihm keine besondere Schwermut zu bereiten. Denn was nicht mehr ist, kann auch nicht mehr werden. Und es gibt Dinge im Leben mit denen ein Mensch sich abfinden muss.

 

Was auf den ersten Blick trist und hoffnungslos erscheint, entwickelt sich auf den 137 Seiten kurzen Roman zu der charmanten, unverschnörkelt erzählten Geschichte eines Mannes, der sich mit seinem Schicksal abgefunden hat, zu keiner Zeit jedoch melancholisch oder drückend wirkend. Wohl auch aufgrund der schwarz-weiß Illustrationen, die auf eine passende, aber doch recht eigene Art, die Handlung bildlich ergänzen, Eindrücke des Protagonisten erkenntlich machen und sich in unterschiedlichen Abständen durch den gesamten Roman ziehen. Und so wirkt das doch so eintönige Dasein dieses Mannes auf unerklärlicher Weise nicht ganz so trostlos.

Dass der Protagonist dabei seine Schaffens- und Lebenskrise beizeiten durchaus dezent sarkastisch kommentiert, verleiht ihm eine ganz eigene Sympathie.

So widersetzt sich dieser Roman durchaus gekonnt dem Klischee, dass Geschichten über Einsamkeit meist durch Selbstmitleid und Resignation geprägt sein müssen.

Ein gesellschaftskritischer Aspekt klingt eher am Rande mit. Ein Künstler, der sich von seiner materiellen und konsumfixierten Umgebung lossagt und stattdessen die Ehrlichkeit der Natur sucht.

 

Der Roman regt zwar zum Nachdenken und zur Reflexion an, ist dabei jedoch kein Grund um in tristen Gedanken zu versinken. Eine optimale Lektüre für Menschen, die bereit sind mit einem gewissen Maß an Selbstironie dem „Winterblues“ zu entkommen und gleichzeitig Interesse daran haben ein gelungenes Werk isländischer Literatur kennen zu lernen.

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