Die Themen des im Original 2009 in Krakau erschienenen Romans Der Gesang der Fledermäuse sind schnell aufgezählt. Mysteriöse Morde mit stark verkrüppelten Leichen und eine schrullige Alte, die sich der Astrologie ebenso leidenschaftlich widmet, wie sie sich für den Tierschutz einsetzt. Wie Olga Tokarczukdie Themen in einen Zusammenhang bringen will, fragt sich der Leser zu Anfang der Lektüre. Wie man den Schluss der Geschichte nicht erahnen konnte, wundert sich der Leser am Lektüreende.
von KATHRIN LESNIEWSKI
„Manchmal scheint mir, als lebten wir in einer riesigen, geräumigen Gruft für viele Personen. Ich blickte auf die Welt, eingehüllt in den grauen, kühlen, unangenehmen Morgendämmer. Das Gefängnis ist nicht außen, es steckt in jedem von uns. Vielleicht können wir ohne es nicht leben.“ Kalt, neblig und windig ist auch der Glatzer Kessel, auf dessen Hochplateau Janina Duszejko, Protagonistin der skurrilen Erzählung, wohnt. Herzerwärmend ist das, wofür sie sich einsetzt – den Schutz der Tiere vor den Jägern im nahegelegenen Wald. Rührend mutet es an, wenn sich diese Einsame voller Hingabe in ihren astrologischen Kalender vertieft. Als im Wald mehrere Morde hintereinander geschehen, ist sich Janina sicher, dass es nur die Rache der Tiere an den Menschen sein kann; die Sterne stehen dazu natürlich in einer günstigen Konstellation. Schnell neigt der Leser dazu, Mitgefühl für diese arme Irre zu empfinden. Das schafft Tokarczuk, indem sie satirische und poetische Elemente in diesem Plädoyer an die Menschlichkeit im Umgang mit der Natur miteinander verbindet und somit das Werk zu etwas Besonderem macht.
Voller Neugier will man sich nun in das Lesevergnügen stürzen und mit Janina leiden und gegen die Polizei kämpfen, die das Jagen auf Tiere nicht verbietet. Die Morde mit den seltsam verstümmelten Leichen halten zudem die Leselust aufrecht. Stilistisch intelligent und witzig, kehrt trotzdem schnell Langeweile in die Lesesitzung ein, nachdem die Morde begangen wurden und uns wieder und wieder die Berechnung von Aszendenten erklärt wird. Doch nicht nur dann erhalten wir Einblicke in die Astrologie. Jede auftauchende Figur wird einer durch die Sterne beeinflussten Persönlichkeitsanalyse unterzogen. Ermüdet legt man das Buch zur Seite. Interessant sind diese Abschnitte nur für „Astrofans“.
Und doch lohnt es sich, das Werk zu Ende zu lesen. Die Perspektive einer älteren, bereits etwas schrullig gewordenen Dame ist eine, die viele Fragen aufwirft. Vor allem die Frage nach dem, was diese verschrobene Frau zu dem gemacht hat, was sie ist. Wie wird es einem selbst ergehen, wenn man altert und in der Einsamkeit lebt? Das Ende des Romans enthält eine überraschende Wende und lässt uns mit zwiegespaltenen Überlegungen alleine. Die Nerven kommen noch nicht zur Ruhe. Hier sollte sich jeder selbst ein Bild von dem machen, was man für Moral hält. Ein Buch, das für all diejenigen zu empfehlen ist, die sich nicht von dem kleinen Astrologieunterricht abschrecken lassen und einmal hinter die Fassade einer wunderlichen Alten blicken wollen. Erwärmt der Roman das Herz oder lässt es dieses vor Kälte erfrieren? Beides ist möglich und gerade deshalb ist das Buch so lesenswert.