Kann uns ein Buch aus dem 16 Jahrhundert heute noch etwas sagen, oder ist die
Thematik doch zu verstaubt? Das mag vielleicht für andere Erzählungen gelten, aber nicht für Das Lob der Torheit von Erasmus von Rotterdam. Wohl auch aus diesem Grund, erschien das Buch in einer illustrierten Neuauflage 2011 in der Reihe der „Klassiker der Weltliteratur“ im Manesse Verlag.
von NORA BERK
Erasmus von Rotterdam war ein bedeutender niederländischer Gelehrter, Humanist,
Theologe, Philosoph und Philologe und widmet 1508 seinem Freund und ebenfalls Gelehrten, Thomas Morus, die Satire Das Lob der Torheit. Die Frage „nach Sinn und Aufgabe der Bildung“, veranlasste ihn zu schreiben. Er schreibt aus der Sicht der Sultitia (Einfalt), als unentbehrliche Komplementärform zur Vernunft. Sie hält der Gesellschaft parodistisch den Spiegel vor Augen und hier kommt wirklich keine Gesselschaftsschicht und kein Stand ungeschoren davon, sie alle bekommen ihr Fett weg.
Erasmus von Rotterdam versucht mit diesem Werk aufzuzeigen, dass nicht Bildung allein, sondern auch Torheit uns zu vollkommenen Menschen macht. „Das ist ja gerade das Jämmerliche, in Torheit befangen zu sein, zu irren, sich zu täuschen und keine Ahnung zu haben, unwissend zu sein. Im Gegenteil, das eben heißt Mensch sein!“ Wenn man der Torheit Glauben schenkt, ist sie für die Gründung von Staaten, Regierungen, Religionen und für Gerichtsbeschlüsse verantwortlich, „das gesamte menschliche Leben ist nichts anderes als ein Spiel der Torheit.“ Die Torheit nimmt die Götter von Bacchus bis Venus aufs Korn, oftmals mit bissigem Ton, aber äußerst unterhaltsam.
Doch die Frage ist: Was macht dieses Buch nun trotz seiner 500 Jahre auf dem Buckel so zeitlos und an vielen stellen wirklich komisch? Viele Beispiele die angeführt werden, lassen sich auch auf die Gegenwart beziehen, „[…] und die Bewunderung der Masse mit zunehmender Dummheit steigt, wer möchte da echte Bildung vorziehen, die viel kostet, Kummer und Angst verursacht und schließlich nur bei wenigen Anerkennung findet?“
Wer hat sich nicht schon mal dabei erwischt, im Nachmittagsprogramm bei einer Talkshow hängen zu bleiben oder vielleicht doch mal eine Folge Dschungelcamp zu schauen, um sich an den Unzulänglichkeiten anderer zu unterhalten? Aber es finden sich auch Themen, die den aktuellen Bezug gar nicht verlieren können, wie die Textpassagen, in denen er darüber philosophiert, dass der Mensch sich selbst lieben
und akzeptieren muss, um wahres Glück empfinden zu können: „Was gibt es denn Angenehmeres und Kostbareres als das Leben selbst?“
Auch die Aussagen darüber, dass der Mensch sich als einziges Lebewesen über seine
naturgesetzlichen Grenzen hinweggesetzt hat, verfehlen den aktuellen Bezug nicht.
Was die Lektüre jedoch etwas anstrengend gemacht hat, sind die vielen Verweise auf
zeitgenössische Philosophen und Gelehrte. Hilfreich ist es auch wenn man sich ein wenig mit der griechischen Mythologie auskennt, ansonsten muss man an der ein oder anderen Stelle auf die Anmerkungen oder anderes Nachschlagewerk zurückgreifen.
Sicherlich nicht für jeden Geschmack, aber wer einen Faible für Klassiker hat, der sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.
„Lebt also wohl, klatscht Beifall, lebt und trinkt, ihr hochgepriesenen Mysten der Torheit!“