Die Eulen sind nicht, was sie scheinen

Dunkel wird es, befremdlich und traurig in Benjamin Maacks neuer Kurzgeschichtensammlung Monster. Das Thema des Verlorenseins und der seelischen Abgründe verbindet diese Geschichten, deren Protagonisten allesamt Benjamin heißen – was natürlich Rückschlüsse auf den Autor ermöglichen könnte. Aber der Autor ist ja bekanntlich tot – es lebe der Autor!

Von JAN FREDERIK BOSSEK

Eulen, wilde Wälder, ein Dorf mit wenigen, skurrilen Einwohnern. Nein, wir sind nicht in Lynchs Twin Peaks gelandet, sondern im Harz, dem Setting der ersten von sechs Kurzgeschichten aus Monster.

Benjamin verliert Halt, nachdem sein Vorgesetzter ihn aus dem Chemielabor entlässt und sein Rausschmiss aus der Wohnung droht, weil er die Miete nicht mehr zahlen kann. Er fährt in den Harz zu seiner Sandkastenfreundin Kathrin und ihrem Mann, Stephan, mit dem Benjamin zu ihrer Studentenzeit einige Jahre zusammengewohnt hat. Das Paar wohnt abgelegen in einem alten Haus am Waldrand. Beide sind über das Erscheinen ihres Freundes überrascht, da Benjamin den Kontakt schon lange abgebrochen hat. Er kündigt an, länger bei dem Paar zu bleiben. Doch was sucht Benjamin bei seinen Freunden? Ist es nur die Liebesbeziehung zu Kathrin, die entstanden wäre, wäre Stephan nicht gewesen?

Eine Eule wird ihn bei seiner Suche begleiten.

Vordergründig, so Maack im Interview mit Interview-Lounge.com, gehe es um Leute, die nicht so genau wissen, wohin mit sich. Die Protagonisten in Maacks Geschichten scheinen Fremdkörper zu sein in einer Welt, auf die sie keinen Einfluss haben. Passenderweise heißt eine Kurzgeschichte Atavismen. Darin passt Benjamin auf das luxuriöse Haus eines Ehepaares auf, das sich auf Weltreise befindet. Er findet sich im Zwiespalt, eigentlich alles tun zu dürfen, und doch mit allem vorsichtig umgehen zu müssen. Neben der Hauskatze sind die Putzfrau und die Nachbarstochter im Teenageralter die einzigen, mit denen Benjamin Kontakt hat. Es sieht nach Langweile aus, doch dann passiert etwas Verstörendes.

„Wo ist mein Buch, dummer Junge.“

Düstere und traurige Geschichten sind es, die Maack faszinieren. Diese gelingen ihm hier eindrucksvoll in kurzer Form. In Wie sehr hat Las Casas geweint? baut der jugendliche Benjamin eine Beziehung zum Opa seiner Freundin Nina auf, einem Kolumbus-Fanatiker. Von ihm bekommt er ein Buch über dessen Leben geschenkt, in dem Benjamin über die Ausrottung der Indianer von der Insel Hispanola liest, welche der Mönch Las Casas für den spanischen König aufgezeichnet hat. Diese blutrünstige Passage im Buch beeindruckt und verändert Benjamin, wird Ausgangspunkt für eine engere Verbindung zu Ninas Großvater. Diese Beziehung zu dem alten Mann bewegt Benjamin zu einer symbolischen Tat. Oft scheint es, als hätten die Protagonisten keine Kontrolle über ihr Handeln, als seien sie machtlose Individuen, denen die Dinge einfach geschehen. Dies unterstreicht das Verlorensein der Charaktere. Durch die gewählten Symbole und eindrucksvollen Bilder wird eine stimmige Atmosphäre erzeugt. Maack beherrscht die Kunst der Kurzgeschichte. Alles hier ist an seinem Platz und nichts ist überflüssig.

„Ich glaube nicht an andere Menschen. Ich meine, ich glaube nicht, dass es andere Menschen gibt.

Zwischendurch werden uns Witze erzählt. Aber eher die schlechten Witze. Die schlechten Witze, die das Leben erzählt. Die, in denen Menschen unfreiwillig zu dem werden, was keiner sein möchte: Monster. Wir kennen die Monster in den Horrorfilmen, die unter dem Bett auf den günstigen Moment warten, sich das schlafende Kind zu packen. Aber sind nicht die Menschen selbst die Monster, vor denen sie sich am meisten fürchten? Oder die unsichtbaren Monster, die sie umgeben? Was Lynch in seinen Filmen beleuchtet, behandelt auch Maack in Monster: Eine Darstellung der Abgründe in- und außerhalb der Menschen.

Benjamin Maack: Monster
mairisch Verlag, 192 Seiten
Preis: 16,90 Euro
ISBN: 978-3-938539-21-7

Hier findet sich ein Interview mit Benjamin Maack von Interview-Lounge.com.

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