Wollen wir nicht alle, dass unsere Kindheitsträume wahr werden? Daniel Johnston, Singer und Songwriter der etwas anderen Art, hat sich seinen endlich erfüllt: Mit Space Ducks hat er einen seiner über hundert Comics das erste Mal veröffentlicht.
Von ESRA CANPALAT
Wahrscheinlich sind die meisten Menschen durch die Grungeband Nirvana auf Daniel Johnston gestoßen: Bei den MTV Music Awards von 1992 trug Kurt Cobain ein T-Shirt, das ein merkwürdiger, skizzenhafter Frosch und die Schrift Hi How Are You zierte. Dies war das selbstgestaltete Cover des bereits sechsten Albums, das Daniel Johnston zuhause in seinem Keller auf eigene Faust auf Kassette aufgenommen hatte. Als Johnston 1983 nach Austin, Texas gezogen war, verteilte er seine Kassetten an jeden – besonders an hübsche Mädchen -, sodass er es bis ins Fernsehen schaffte, nämlich in die MTV-Sendung The Cutting Edge, und den Austin Chronicle’s Songwriter of the Year Award gewann. Die autodidaktisch von ihm aufgenommenen Alben sind größtenteils wiederveröffentlicht worden und bis heute noch erhältlich.
„Out come the demons…Wohoooauhooo!“
Doch Johnstons Karriere wurde überschattet vom Ausbruch seiner genetisch bedingten manischen Depression. Er begann zu glauben, dass er vom Teufel verfolgt wird, was dazu führte, dass er des Öfteren in Konflikt mit dem Gesetz geriet. Zudem verursachte er einen Flugzeugabsturz, den sein Vater und er glücklicherweise überlebten, und verängstigte eine ältere Dame so sehr, dass sie aus dem Fenster sprang. Es folgten mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken. Der 2006 erschienene und auf dem Sundance Film Festival mehrfach ausgezeichnete Film The Devil and Daniel Johnston dokumentiert diese Zeit sehr eindrucksvoll. In einer Szene wird eine verstörende Aufnahme von Johnston abgespielt, die er während einer seiner Aufenthalte als Botschaft für seinen Produzenten selbst aufgezeichnet hatte: Mit lethargischer Stimme singt er ein Loblied auf den Softdrink Mountain Dew, da er Pressesprecher für dieses Produkt werden möchte. Gekrönt wird diese Aufnahme durch Johnstons Ausruf, die bösen Geister würden kommen und das Mountain Dew austrinken. Fünf Jahre verbrachte er in der Klinik, bis er 1993 wieder nach Texas zurückkehrte. Bis heute bekommt Johnston Medikamente, um seine Depressionen unter Kontrolle zu halten. Er lebt neben seinen Eltern in Texas, veröffentlicht Alben, tourt weiterhin und stellt seine Bilder in Galerien rund um die Welt aus.
„Space Ducks / Fighting all the evil /All the creepy people…“
Die eigentliche Leidenschaft Johnstons ist aber nicht die Musik, sondern das Zeichnen. Schon als kleiner Junge zeichnete er immerzu und verkaufte seine Bilder an seinen Vater, um sich mit dem Geld Comicbücher zu kaufen. Nun ist eines seiner zahlreichen Comicbücher veröffentlicht worden: Space Ducks handelt von Weltraumenten, die während einer ihrer Expeditionen auf Satans Planeten stoßen, den sie umgehend versuchen zu zerstören. Autobiographische Referenzen sind also nicht ausgeschlossen: Auch der Comic handelt von der gefährlichen Macht des Teufels, vor der Johnston sich sein Leben lang fürchtete. In geradezu wahnwitziger, expressionistischer Manier gezeichnet, kämpfen sich die Space Ducks über mehrere Seiten hinweg durch Satans Planeten und erschießen einen Teufel nach dem anderem, wobei natürlich machohafte, aus klassischen Actionfilmen übernommene Ausrufe wie „Take this, you worthless swine!“ oder „Die creep!“ nicht fehlen dürfen. Die Geschichte über die Duck Wars wird also immer mit einer gewissen Spur von Ironie und einem Augenzwinkern erzählt. Unterstützt wird dieser Eindruck durch den kindlich-naiven Zeichenstil und die zahlreichen Rechtschreibfehler im Text. Doch wird hier keine scharfe Trennlinie zwischen Gut und Böse gezogen, was zum Ende des Comics deutlich wird: Nachdem die Ducks endlich gesiegt haben, foltern sie die Teufel auf grausame Art und posieren hierbei vor der Kamera. Das erinnert nicht nur stark an den Abu-Ghuraib-Folterskandal, sondern macht dem Leser auch bewusst, dass das Teuflische in jedem von uns steckt. Dies ist vor allem eine Erfahrung, die Johnston gemacht hat. Der Spaß mit den Space Ducks hört aber nicht mit dem Comicbuch auf, denn es geht interaktiv weiter! Zu dem Comicbuch gibt es nämlich noch eine App und einen unglaublich tollen Soundtrack.
Zugegeben: Der Comic ist in erster Linie wirklich etwas für wahre Daniel Johnston-Fans. Doch sollte der eine oder andere durch diese Rezension neugierig auf diesen interessanten Künstler geworden sein, dann sollte sich derjenige auch den Comic zu Herzen nehmen.