Misanthropen, Zwangsneurotiker, Mörder im Geiste, vereinigt euch. Wenn das Leben Dir ein Schnippchen schlägt und es nur noch Scheiße vom Himmel regnet, ist das kleine Sammelsurium Fickt euch alle aus dem Unsichtbar und Gonzo Verlag vielleicht der Zuckerguss auf der menschenverachtenden, literarischen Atompilztorte.
Von NADINE HEMGESBERG
Als es beim österlichen Spaziergang „Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!“ aus dem Faust herausblubbert, da kann, ja da muss, die Welt in Ordnung sein. Das Gegenteil ist in der vorliegenden Anthologie der Fall: Der Supergau lauert feist hinter jeder Ecke. Das Ende der Menschheit ist nahe. Wenn es nicht die Maya oder die Prophezeiungen des Nostradamus sind, so doch die stumm vor sich hin schlummernde heimische Flora, die der Krone der Schöpfung nicht nur einen Zacken ausschlagen wird. Wie es sich gehört kokettieren die HerausgeberInnen Spies und Köglowitz im Vorwort mit dem alkoholischen Nimbus der Frankfurter Buchmesse, der zu dieser Zusammenarbeit führte: „Man würde ja bescheuert, würde man all diesen Messeopfern tatsächlich zuhören.“ Gut, dass nicht nur halbernstes Geseier auf diesen Messen ausgetauscht wird, sondern, wie in diesem Fall, eine äußerst erheiternde Compilation ins Leben gefunden hat, die Appetit auf mehr macht.
„Flowzirkus-Slammer treffen Dosenbeatpunks, oder was?“
Jan Off, selbsternannter „Bachmannpreisträger der Herzen“, ist ebenso vertreten wie Dirk Bernemann – er hat bekanntlich die Unschuld kotzen sehen – und der Poetry-Slammer und Establishmensch Andy Strauß. Und sie alle arbeiten sich literarisch am Misanthropen ab.
– Misanthrop, der: Er ist ein wahrlich alter Zeitgenosse unter den Motiven der Weltliteratur. Ein Sonderling, der den Menschen Verachtung schenkt, sich aus der Gesellschaft zurückzieht und doch immer wieder auf das eigene beschränkte Menschsein zurückfällt. –
Paranoide Hypochonder beschwören die Pflanzenapokalypse, in Schulzes Pub imaginiert Bernemann ein Kneipenmassaker herbei und Christoph Straßer exerziert die Scheiß-Egal-Haltung einer ewig lächelnden Kassenkraft, die dank Lottogewinn zu ihrem wahren Ich findet. Die kleinen Erzählungen lesen sich dabei, wie könnte es bei einem 94 Seiten Bändchen auch anders sein, wie ein niederträchtiger Appetizer für die Ganzschriften der versammelten Autoren. Jan Off skizziert das Leben „einer autonomen Rasselbande“ in seinem neuen Roman Happy Endstadium, während Strauß, nach den Kurzgeschichtenbänden Establishmensch und Albträumer, im Herbst seinen zweiten Roman Kuck dir die Tiere an, wie glücklich die immer sind präsentiert.
Wer sich also einen Überblick verschaffen möchte über die aktuellen Krawallos der deutschen Independent-Szene, dem sei diese Anthologie ans Herz gelegt. Ultimativ lesenswert. Herzzerreißend gut.