Wie lebt es sich als Frosch? Wenn man ausbaden muss, was Wolf und Bär einem eingebrockt und der Affe verschwiegen hat? Edit Engelmann weiß es. In Krise! Krise! Schulden am Olymp. Das Tagebuch eines Frosches gibt sie dem griechischen Frosch eine Stimme. Die Rollen sind klar verteilt: der Wolf in der Politik auf der einen Seite, der Bär im Finanzwesen auf der anderen und dazwischen der kleine Frosch von der Straße. Was klingt wie eine äsopsche Fabel, ist Engelmanns Versuch mit dem Bild Griechenlands und dessen Krise in den (deutschen) Medien aufzuräumen.
Dieses Buch entstand, weil sie dem Leser zeigen wollte „was nicht in den Zeitungen steht, was an Informationen unterschlagen wird.“ Und auch, weil sie findet, dass „auch der deutsche Frosch wissen sollte, was der griechische Frosch denkt.“ So von Frosch zu Frosch eben.
von VERENA SCHÄTZLER
Seit 2000 lebt der deutsche Frosch Edit Engelmann als Marketing- und Kommunikations-Beraterin, Übersetzerin und Autorin in Athen. Ihre sehr diskussionsfreudigen griechischen Freunde brachten sie dazu, sich intensiv mit der nationalen und internationalen Politik zu beschäftigen. Dabei stellte sie fest, dass gerade in den Medien viele Informationen unterschlagen wurden, was zu einem sehr lückenhaften Informationsstand auf Seiten der Bevölkerung führte. Grund der Krise sollen die Korruption und Schmiergelder der Griechen gewesen sein. Aber so stellt Engelmann im Vorwort fest: „Wirklich? Aber wenn nur die Griechen korrupt wären, wäre das ja nicht gegangen. Einer allein kann so korrupt sein, wie er will – das funktioniert nicht. Korruption und Schmieren sind Spiele, für die man ähnlich wie beim Skat mindestens zwei braucht. Aber mit noch mehr macht es noch mehr Spaß.“Dabei hatte sie ganz zu Beginn noch keine Veröffentlichung im Sinn. Das kam erst später, als sie vermehrt gefragt wurde: „Wie ist das denn jetzt wirklich in Griechenland? Ist es so, wie es in den Zeitungen steht?“ Die Frösche ahnten wohl, dass ihnen seitens der Wölfe und Bären einiges verschwiegen wurde. So wird in Engelmanns Tagebuch das erste Jahr der Krise zur Abwechslung mal nicht aus „Sicht von Wolf und Bär, sondern aus der Sicht eines (deutschen) Frosches in Griechenland“ betrachtet
Die griechische Krise aus der Vogelperspektive
Edit Engelmann beschreibt in ihrem Buch die Krise in Griechenland so, wie die Bevölkerung sie erlebt und erklärt dabei auch, wie und warum das alles überhaupt angefangen hat. Griechenland ist „pleite, bankrott, fertig – zu viel und zu lange auf Kredit gelebt.“ Sie stellt aber auch wichtige Fragen: „Wer leiht einem Staat so viel Geld? Und dann ganz ohne zu gucken, wie dessen allgemeine und spezielle Finanzlage so ist?‘“Sie berichtet von den fast wöchentlichen Streiks, den Demonstrationen und auch von den aberwitzigen Steuergesetzen, die helfen sollen, die Krise schnell zu überwinden.
Da sie als Frosch aber nur einen sehr eingeschränkten Blickwinkel auf die Krise hat, holt sie sich Hilfe aus der Luft. In ihrem Tagebuch werden nicht nur Zeitungsartikel zitiert, sondern auch diverse andere Medien, wie Internetblogs (das türkische Blog „A Bird’s Eye View“ hat es ihr dabei besonders angetan), Fachzeitschriften und Fachliteratur, Onlinelexika und diverse weitere. Besonders hilfreich für den Leser ist dabei, dass sie als vorbildlicher Frosch alles mit Fußnoten belegt und am Ende auch ein Froschglossar eingefügt hat, das die wichtigsten Fachtermini erklärt.
Das fabelhafte Tagebuch des Frosches
Engelmann gibt in der Widmung an, ihr Buch sei nach der Lektüre Panos Panagopoulos’ Kurzgeschichte Krisi, Krisi entstanden, einer Geschichte über Affe, Wolf, Bär und Frosch. Darüber hinaus weckt das Tagebuch eines Frosches aber auch Erinnerungen an ein deutlich älteres Genre: die Fabel. Ihr Tagebuch ist zwar deutlich länger als eine Fabel und Engelmann scheut sich auch nicht, die Finanz-Bären und Polit-Wölfe beim Namen zu nennen, aber auch hier begegnet der Leser tierischen Protagonisten, die menschliche Eigenschaften besitzen. Auch andere Charakteristika lassen sich wiederfinden: So möchte eine Fabel, wie Reinhard Dithmar in Die Fabel anführt, belehren und unterhalten, etwas das auch auf Engelmanns Tagebuch zutrifft. Ihr Sprachstil ist humorvoll und sie beschreibt die dargestellten Ereignisse immer mit einem Augenzwinkern, aber dennoch lässt sie den Anspruch B. E. Perrys, eines der besten Kenner der antiken Fabel, nicht aus den Augen. Dieser forderte: „The narrative (…) never takes the form of a story told for its own sake.“ Engelmann möchte ihren Lesern zeigen, was alles bezüglich der Krise unterschlagen wird und „anstatt Schlusswort“ fordert sie ihre Leser auf, die momentane Krise auch als Chance für eine „Revolution des Denkens“ zu sehen. Die Macht des Denkens und Hinterfragens ist ihnen gegeben, also sollten die Leser sie auch nutzen.
In der Fabel stellen die einzelnen Tiere bestimmte Stereotypen dar, die einzelnen Tierkonstellationen sind demnach nicht zufällig. Dithmar beschreibt diese als „antithetisch“. Es findet sich also immer ein Kontrast wieder, der auch der Charakterisierung dient. Bei Engelmann findet sich auch dieses Stilmittel: Wolf und Bär auf der einen, der Frosch auf der anderen Seite. Der gierige, auf den eigenen Vorteil bedachte (Polit-)Wolf und der starke, aber unklug handelnde (Finanz-)Bär sind bereits bekannte Fabel-Akteure, der Frosch nicht. Aber auch dieser ist nicht zufällig gewählt.
In Phaidon findet sich ein Ausspruch des platonischen Sokrates, nach dem die Griechen „wie Ameisen oder Frösche um einen Sumpf, so um das Meer herum wohnen.“ Er bezieht sich in diesem Zitat auf die archaische Epoche in der griechischen Geschichte (ca. 750-550 v. Chr.) Hans-Joachim Gehrke nennt diese dunkle Epoche in Kleine Geschichte der Antike auch „Zeit der Krise“. Soziale Spannungen und die daraus resultierenden massiven Konflikte führten zur griechischen Kolonialisierung des Mittelmeerraums. Damals wie heute hatte die griechische Bevölkerung mit einer Krise zu kämpfen. So ist die Wahl des Frosches durchaus passend.
Edit Engelmann hat mit Krise! Krise! Schulden am Olymp. Tagebuch eines Frosches ein Buch über Geld, Politik und die Macht der Medien herausgebracht. Humorvoll und augenzwinkernd erklärt sie dem Leser die Anfänge der Eurokrise und die Fremdwörter, die von diversen Experten und auch den Akteuren der Krise durch den Medienurwald gerufen werden. Dabei ist es sehr unterhaltsam und für das Verständnis der aktuellen Lage sehr hilfreich.