Gestatten: Hemgesberg. Ich lade Sie hier und heute auf das literarische Fleischpflanzerl der vergangenen Woche ein – geteilt in kleine, appetitliche Häppchen aus dem Literaturbetrieb. Setzen Sie sich, in der zurückliegenden Woche ist genug geschehen in dieser Welt der Klassiker und Kanon-JüngerInnen, damit wir ein wenig plaudern können: Morrisseys Autobiography, der 35. Asterix, „Kiwi or not to be“ beim Man Booker Preis und schlussendlich (?) Ruhe in Sachen Suhrkamp.
von NADINE HEMGESBERG
Frikkas – oder wie man im tiefsten Bayern sagt Fleischpflanzerl – sind ein klassischer Evergreen der Hausmannskost. Wenn Mutti aber plötzlich mit feinsten Klecksen Molekularküche aufwarten würde, wäre es ein ungewohntes Bild. Was sich gerade auf verlegerischer Ebene bei den Penguin Classics abspielt, ist vielleicht eben diese Molekularküche, die eigentlich nix in Muttis Küche zu suchen zu haben scheint. Ein großer Streit ist entbrannt, die Empörung schlägt Wellen auf der britischen Insel, vielleicht sollte Asterix doch mal wieder bei den Briten vorbeischauen, um nach dem Rechten in Sachen Kanon zu sehen. Vielleicht sollte er es aber auch lassen, denn sich als apodiktische Wertbewahrer und Kulturhüter aufspielende Kritiker gibt es im Fall Penguin Classics schon zur Genüge. Nun, was war eigentlich geschehen? Der ehemalige The Smiths Frontmann Morrissey hatte bereits 2011 in Bezug auf sein Machwerk Autobiography davon gesprochen, dass er es gerne bei Penguin Classics veröffentlicht sähe. Aus anmaßendem Witz mach Ernst, dachten sich die Verleger bei Penguin und stellten Morrissey in eine Reihe mit Montaigne und Dickens, um nur einige der penguinschen toten Kanongrößen zu nennen.
Dass es sich bei der Zuschreibung „Klassiker“, bei allem verlegerischen Idealismus und „gutem Geschmack“, immer auch um eine Verkaufsmarke handelt, scheinen viele zu vergessen.
Es ist interessant zu sehen, dass – bei aller Genreausdifferenzierung und auch bei der Diversität subjektiver Kanonisierung – die Autorität über die Bestimmung des Kanons noch immer in den Händen von Gralshütern zu liegen scheint. Und – in diesem Fall – von der Kritik bestimmt werden will, was in einer konzipierten Reihe verlegt wird oder nicht. „Warum dann also nicht Elton John?“, schreibt Roger Taholm vom Publishers Weekly in seiner Polemik und Boyd Tonkin verkündet scharf im Independent: „Penguin Classics, as a noble idea of affordable, accessible enlightenment, has certainly died this month.“Aber noch einmal: Klassiker werden gemacht! Die Verkaufszahlen sprechen zumindest Bände, Autobiography ist Nr. 1 auf Großbritanniens Amazonliste.„Aber vielleicht ist alles nur ein Witz“, so Michael Pilz in der WELT.
Asterix bei den …
Asterix hat es also nun erneut auf die britischen Inseln verschlagen. Der neue Band Asterix bei den Pikten ist erschienen, und sogar die Tagesschau berichtete über den wehrigen Gallier und sein 35. Jubiläum. Und wie wäre es denn, wenn Asterix mal, mit einer ordentlichen Friedensbulette in der Hand – natürlich feinstes Fleisch vom Wildschwein – in Kanada vorbeischaute? Auch wenn die Kanadier mit Alice Munro die diesjährige Literaturnobelpreisträgerin für sich verbuchen können, so geht die zugegeben amüsante Rechnung von Jonathan Kay in der kanadischen National Post leider für Eleanor Catton, die Man Booker Preis Gewinnerin 2013, nicht auf: Kiwi or not to be? Wen interessiert es schon, dass sie in ihrer anal-inkontinenten Phase (als Säugling und Kleinkind) durch die grünen Felder Kanadas getrollt ist? Richtig, niemanden.
Zum Abschluss: Asterix wäre im Staate Suhrkamp, der sich ja, wie wir alle wissen, im „Kriegszustand“ befand, auch gar nicht mal schlecht aufgehoben gewesen. Aber das ist nun nicht mehr nötig. Nach unzähligen Gerichtsurteilen, einem Insolvenzantrag und einer Überführung in eine Aktiengesellschaft kann endlich Frieden einkehren, denn der „böse Caesar“ Barlach ist entmachtet und reicht dem unbeugsamen Dorf – Suhrkamp – die Hand: „Es ist vorbei“, wie die ZEIT titelt – endlich.
Und in der nächsten Woche – ach, was weiß ich schon über die Zukunft. Vielleicht werden Cindy aus Marzahns Memoiren bei Reclam verlegt, öfter mal was Neues und so. Häppchen alle, auf Wiederlesen.
Warum sich gerade an Morrissey die Gemüter entzünden, verstehe ich nicht. Immerhin hat der Mann der englischen Jugend (und nicht nur der) seit Mitte der 80er Namen wie Rimbaud, Yeats oder Oscar Wilde nahegebracht.