Gestatten: Hemgesberg. Ich lade Sie hier und heute auf ein kulinarisches Snippet, ein Stuzzichino der vergangenen Woche ein – das italienische Appetithäppchen aus dem Literaturbetrieb. Setzen Sie sich, es ist genug geschehen in dieser Welt der SchreiberInnen und LeserInnen, damit wir ein wenig plaudern können: die Recherche wird 100, der E-Reader ist tot und Google Books darf weiter scannen.
von NADINE HEMGESBERG
Mit Appetithäppchen – im Italienischen also nicht nur in Form von Antipasti bekannt, sondern auch als Stuzzichini – überbrückt man die Zeit, die man zum Beispiel auf einer Festivität mit beliebigem Small-Talk verbringt und eigentlich auf das große Fressen wartet. Dass man sich mit all den dank Google zur Verfügung stehenden Snippet-Appetithäppchen von gescannten Büchern nur der kurzzeitige Hunger nach Information gestillt ist, und man auf das große Fressen, sprich das komplette Buch, dann in gekaufter Version zurückgreift, ist ein arg utopischer Gedanke bei kursierender Umsonsteritis. Natürlich greift auch diese Verknappung auf den Umsonstgedanken bei bestehendem Diskurs über Kulturflatrates und der Zukunft von Bibliotheken viel zu kurz. Der US-Richter Denny Chin hat nun, nach acht Jahren Verfahren, seine Einschätzung zu Google Books und bestehendem Recht bekanntgegeben und dabei zugunsten von Google und des sogenannten „Fair Use“ entschieden. Das amerikanische Copyright sieht vor, dass die Rechteinhaber dann im Sinne eines Fair Use übergangen werden, wenn die so nutzbar gemachten Inhalte „den Fortschritt von Wissenschaft und nützlicher Kunst fördern“. Im Überblick auf heise online, buchreport.de und der FAZ.
Leben und Tod der E-Reader
Mal ist vom einzigen, fast gallisch anmutendem, Widerstand in Deutschland die Rede, wenn dem Konzern Amazon mit dem Tolino ein Leseendgerät entgegen gesetzt wird, das die Konkurrenz und das Marktmonopol aushebeln soll. Mal ist es der beschrieene Tod gleich aller E-Reader. Und so ist auf dem ZDF-Blog Hyperland zu lesen, dass es sich beim E-Reader nur um eine Übergangserscheinung handele, die vielleicht schon in kurzer Zeit aus Gründen des pragmatischen Gebrauchs von der Bildfläche verschwinden und dem Allround-Tablet die Vorfahrt lassen müssen. „Gut möglich, dass diese Produktkategorie in ein, zwei Jahren als obsolet vom Markt verschwindet. Das Tablet wird zum Reader – und der Reader stirbt aus“, so Thorsten Dewis Prognose.
Prost Proust
Hundert Jahre À la recherche du temps perdu – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit und niemand findet die Zeit, die monströse Recherche auch mal wirklich zu Ende zu lesen. Nichtdestotrotz erscheint zu diesem Machwerk und seinem Autoren Marcel Proust fast täglich ein neuer Band, der das Augenmerk auf gewisse Kleidungsstücke, körperliche Merkmale oder weiß der Geier was legt. Andreas Platthaus zeichnet in der FAZ die verlegerische Odyssee, die es rund um den „schönsten Roman der Welt“ gegeben hat, nochmals nach.
Der Schrei nach Novitäten
Wie diverse Häppchen auf kühlem Silber, so werden auch neue und bestenfalls junge SchriftstellerInnen auf den Serviertabletts der unterschiedlichsten Literatur-Wettbewerbe arrangiert und präsentieren sich der wählerischen Öffentlichkeit. Dass der Geschmack dann entscheidet und manchmal auch die „Innovation“, sprich Probierfreude, ist festgeschriebenes Häppchen-Gesetz. Aber dass ebenso vor dem großen Tamtam „das Beste“ vom Serviertablett bereits versprochen und vergeben ist, ist auch keine Seltenheit. Den diesjährigen Open Mike-Wettbewerb kommentieren Catarina von Wedemeyer (taz) und Dana Buchzik (ZEIT) teilweise äußerst bissig oder auch latent gelangweilt. Neben den GewinnerInnen Maren Kames, Jens Eisel und Dmitrij Gawrisch habe der Open Mike nur wenige Glanzstücke geboten (ZEIT) und „[d]as würde auch gegen die Banalität vieler Einsendungen helfen. Von dem ganzen Liebesgeleier ist dem Lektor Christian Ruzicska vom Secession Verlag Zürich richtig schlecht geworden, sagt er.“, heißt es in der taz. In beiden Artikeln klingt an, dass es sich bei weitem nicht mehr um ein Bewerben für Höheres, sondern nur noch um ein Präsentieren des bereits „fertigen“ SchriftstellerInnennachwuchses handele. Aber läuft da das Bemängeln des nervenden Pubertätsgeseiers und übertrieben metaphorisch prangendem Möbelwerks – ja, so probieren sich junge SchriftstellerInnen in ihrer Entwicklung scheinbar aus – nicht völlig ins Leere, wenn sich zuvor über den schon allzu perfekten Betrieb mokiert wurde?
Und in der nächsten Woche: Zukunftsmusik. Häppchen alle, auf Wiederlesen.