Gestatten: Hemgesberg. Ich lade Sie hier und heute auf ein kulinarisches Mantelhäppchen, ein Ciruela der vergangenen Woche ein – die spanische Tapaspflaume im Speckmantel aus dem Literaturbetrieb. Setzen Sie sich, es ist genug geschehen in dieser Welt der FeministInnen und Amazon-KritikerInnen, damit wir ein wenig plaudern können: Lewitscharoff kritisiert Amazon, Doris Lessing verstirbt im Alter von 94 Jahren und der Feminismus, ja der Feminismus…
von NADINE HEMGESBERG
Er sitzt, nicht wie die Pflaume, so doch wie die Made im Speck. Gemeint ist hier niemand anderes als Jeff Bezos, der Amazon-Chef, die Made, die sich kommod eine goldene Nase mit all seinen Arbeitsstätten und fleißigen ArbeiterInnen verdient und statt auf gute Arbeitsbedingungen auf Bespitzelung, Diffamierung und stetige Effizienzsteigerung setzt. Das ist fast schon ein alter Hut, aber passieren, passieren tut dennoch fast nichts. Gewerkschaften bilden sich schleppend, GewerkschaftlerInnen werden malträtiert und die ArbeiterInnen in den Logistikzentren werden nicht nach Tarifvertrag bezahlt. Jean-Baptiste Malet berichtet in LE MONDE diplomatique über die Zustände in den Logistikzentren, darunter auch das beschauliche hessische Kurstädtchen Bad Hersfeld als Amazon-Standort. Von Arbeitsbedingungen, die dem Arbeitsschutz spotten, ist da die Rede, von Datenübertragungen in die USA, die geltendem Recht zum Datenschutz widersprechen, und andauernder Schikane. Auch die diesjährige Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff findet zur Eröffnung der „Buch Wien“ klare Worte: „Amazon bezahlt keine Steuern in den Ländern, in denen dieser widerliche Club eine Menge Geld verdient, er bezahlt seine Angestellten empörend schlecht, ruiniert die Buchhändler und zunehmend auch die Verlage“ (so zitiert sie diePresse) Deutliche Worte – Worte, die noch weiter zu den KonsumentInnen vordringen müssen.
Ich, ihr und der Feminismus
Die Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing verstarb in ihrer Londoner Heimat im Alter von 94 Jahren. Die Feministin, die keine sein wollte, die „immer schon ganz woanders war“ (Bernd Graff in der Süddeutschen), und deren Roman Das goldene Notizbuch von der Frauenbewegung vereinnahmt wurde, war keine unumstrittene Preisträgerin. Marcel Reich-Ranicki ließ sich gar zu der Äußerung hinreißen, „er finde die Entscheidung der Akademie ‚bedauerlich und enttäuschend‘“. Der Feminismus ist ein wunderbares Stichwort, um zu Lessings „Schwester im Geiste“ Alice Schwarzer überzuleiten. Letztere produziert sich immer mehr als entmündigende Erlöserfigur aller geknechteten und sich prostituierenden Frauen und lässt sich mit ihrem Einbahnstraßen-Feminismus von ihren JüngerInnen feiern, ohne dabei einen „vielstimmigen Chor“ im angestoßenen Diskurs um das Thema Prostitution auch nur annähernd zuzulassen. Während sie ihr Buch Prostitution – Ein deutscher Skandal vermarktet, hackt die von ihr herausgegebene Emma auf dem „Pascha“ Clemens Meyer herum, rechnet mit seinem „Rotlichtkitsch“ in einer Glosse ab und legt offen, mit welchem Totschlagargument man Meyer abspricht, über Prostituierte und ihre Arbeit schreiben zu können: Er ist ein Mann. Punkt. Meyer, der vergangenen Samstag mit dem Bremer Literaturpreis für seinen Roman Im Stein ausgezeichnet wurde, äußerte sich zum Thema Prostitution in einem Bericht in der WELT ; ein fast dramatischer Monolog, der um das ICH und die Damen, die Sexarbeiterinnen, die Huren und Dienstleisterinnen kreist. Ein lesenswertes, ein differenziertes Stück Literatur.
Last but not least: Satire
Heinz Strunk bei extra3, nicht Fleischgemüse essend oder den Fleckenteufel imaginierend, sondern zeternd, über den Wohnungsmarkt. Angucken. Lachen … oder weinen.
Und in der nächsten Woche: mehr, immer mehr von allem. Häppchen alle, auf Wiederlesen.