Gestatten: Hemgesberg. Ich lade Sie hier und heute auf ein einfaches Häppchen, das Schnittchen der vergangenen Woche ein – die vielleicht langweilig anmutende, doch vieldiskutierte Scheibe Brot aus dem Literaturbetrieb. Setzen Sie sich, es ist genug geschehen in dieser Welt der intellektuellen Protestierer und Stöcke-und-Steine-ins-wissenschaftliche-Getriebe-Schmeißer, damit wir ein wenig plaudern können: 562 internationale AutorInnen sprechen sich gegen Überwachung aus, die wissenschaftlich kommentierte, kritische Ausgabe von Hitlers Mein Kampf wird nicht weiter finanziert und ein vorzeitiger Jahresrückblick.
von NADINE HEMGESBERG
Genau wie das ach so einfache Schnittchen zu den kulinarischen Basics gehört, so möchte man meinen, dass die Demokratie zum Gelingen unseres Zusammenlebens dazugehört – nicht wie Arsch auf Eimer, aber vielleicht wie Demokratie auf Gesellschaft. Dass man es mit der Demokratie in unserer digitalen Welt, mit all den Späh- und Überwachungsprogrammen und der NSA, manchmal nicht mehr ganz so genau nimmt, kratzt offenbar die wenigsten. Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter, so heißt der Aufruf und die Petition der Writers Against Mass Surveillance, eine Initiative der SchriftstellerInnen Juli Zeh, Ilija Trojanow, Eva Menasse, Janne Teller, Priya Basil, Isabel Fargo Cole und Josef Haslinger. Am 10. Dezember, überaus symbolträchtig am Tag der Menschenrechte also, wurde diese „Intervention“ – wie es dem Selbstverständnis zu entnehmen ist –, von 562 namhaften SchriftstellerInnen unterschrieben und in über 30 internationalen Zeitungen veröffentlicht. Unter den UnterzeichnerInnen sind allein fünf LiteraturnobelpreisträgerInnen. Die geballte Intelligenzia rund um das seit Jahren gegen „den Angriff auf die Freiheit“ kämpfenden Duett Zeh/Trojanow, hat wortgewaltig aufgerüstet und eine breite Öffentlichkeit erreicht. Doch wird sich nun etwas ändern bei all den BürgerInnen, die „eh nichts zu verbergen“ haben, gar ein Umdenken stattfinden? Die Erkenntnis Raum greifen, dass man eben auch ein Recht auf Privatsphäre im Netz hat und sich gegen die Spähmaßnahmen und tausendfachen datenschutzrechtlichen Verletzungen zur Wehr setzen sollte? Wir sind ja auch sonst eher weniger versessen darauf, dass der NSA-Mann ins Schlafzimmer hereinstapft und uns bei schweißtreibender Bettgymnastik beobachtet. Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege …. Und trotzdem, es ist noch ein langer Weg.
Ach, lassen wir das mit der Förderung
Und apropos Petitionen und öffentliches In-die-Suppe-spucken. Wie wäre es denn mal mit einer Petition gegen den unglaublich pedantischen und nicht nachvollziehbar als ewiger „Urheberrechtsschützer“ agierenden Freistaat Bayern, der sich nun überlegt hat, die Förderung der wissenschaftlich kommentierten, kritischen Ausgabe von Adolf Hitlers Irrsinnspamphlet Mein Kampf zurückzuziehen? Ende 2015 laufen die Rechte des Freistaates an Mein Kampf aus, einer längst überfälligen wissenschaftlichen Auseinandersetzung in Form der Kommentierung für ein breites Publikum steht eigentlich nichts mehr im Wege. Die WissenschaftlerInnen des Instituts für Zeitgeschichte arbeiten seit mehreren Jahren an einer solchen Edition und dürfen, wenn auch nun ohne staatliches Geld, diese zwar fertigstellen. Keinesfalls sicher ist hingegen, ob diese Ausgabe dann jedoch zu erwerben sein wird. Denn dann soll geprüft werden, ob nicht auch bei dieser Edition der Tatbestand der Volksverhetzung vorliegt, der Freistaat Bayern behält sich rechtliche Schritte vor. Es ist völlig destruktiv, den Mantel der Mystifizierung über dieses Machwerk Hitlers zu werfen, zu meinen, so wie es Horst Seehofer (CSU) geäußert hat, dass es sich nicht mit einem NPD-Verbotsantrag vertragen würde, Mein Kampf mit dem freistaatlichen Emblem im Impressum herauszugeben. Nein, Herr Seehofer, es würde sich sogar ganz glänzend vertragen, wenn sich die Wissenschaft endlich in Form einer kommentierten Edition mit dieser Schrift auseinandersetzen könnte und nicht nur antiquarisch zu erwerbende Exemplare und Nachdrucke aus dem Ausland kursieren. Aufklärung par excellence nennt sich das dann, die progressiv und nicht geheimniskrämerisch mit diesem „Zeitzeugnis“ umgeht und eine überfällige Entmystifizierung dieses stumpfsinnigen Gekritzels bedeuten würde.
Und nun ganz unpolitisch: Ein erster Jahresrückblick
Überall werden Listen erstellt, ob nun per Kaufalgorithmus oder so ganz individuell-subjektiv – „Das Beste zum Feste“, Sie kennen das. Und hier, so ein ganz allgemeiner Tipp: Widmen Sie sich doch mal wieder der Kurzgeschichte – entdecken Sie Doris Lessing, Alice Munro oder die grandiose Amy Hempel, und genehmigen Sie sich nicht immer nur diese dicken Haustürstopper namens Romane.
Und in der nächsten Woche: Mehr Literatur, weniger Politik. Häppchen alle, auf Wiederlesen.