Warum es keine Kolumnenvertretung geben kann, 3. KW

Die Vertretung brütet über dem Notizbuch   Foto: Sylvia KokotWas ist eine Kolumne? Etymologisch auf den Begriff der „Säule“ zurückführbar, handelt es sich im Druck lediglich um eine Satzspalte. Der Textumfang richtet sich also eigentlich nach Gestaltung und Maß des jeweiligen Presseerzeugnisses und nicht nach dem Gutdünken des sie produzierenden Autors. Das ändert sich natürlich mit den modernen Druckverfahren, spätestens mit dem Eintritt in das digitale Zeitalter – wann auch immer dieser passiert sein soll – und lässt ggf. eine gewisse Laxheit im Umgang mit der Zeichenzahl, auch in diesem Texterzeugnis, erkennen, was jedoch nicht unbedingt störend sein muss.

Viele Kolumnen sind eng mit der sie schreibenden Person verknüpft, dienen sie doch mehr oder weniger bekannten Journalisten oder Schriftstellern durchaus als Profilierungsmöglichkeit. Kundgetan wird in diesem spaltigen Schriftstück in der Regel die persönliche Meinung des Autors, denn die Kolumne ist ein persönlicher „Meinungsbeitrag“, so dass sich die Verantwortlichen des veröffentlichenden Mediums jederzeit davon distanzieren können. Diese „Meinungsäußerung“ wiederum fällt des Öfteren polemisch, provokant oder ironisch aus. In welcher Sprachgewalt dem Leser aber das Vergnügen zuteilwird, die Meinung des Kolumnisten zu konsumieren, hängt vom individuellen Stil dieses Produzenten ab. Er hat, so zumindest die Idee, freie Hand in der stilistisch-rhetorischen Gestaltung seiner Meinung, um seinem Publikum schlussendlich zu gefallen (delectare – wer in der Sitzung zur Rhetorik aufgepasst hat, weiß das natürlich schon).

An Kolumnen mangelt es der hiesigen (digitalen) Presselandschaft nicht: Herr Hacke bespielt das SZ-Magazin, Herr Martenstein die ZEIT, in der FAZ gibt es, neben allerlei anderen Kurzartikeln und Kolumnen, die Glosse „Fraktur“, die sich zynisch und kritisch (und sicherlich nicht uninspiriert von Karl Kraus) dem Exorzismus hohler Phrasendrescherei widmet. Und natürlich bieten auch die taz und die NZZ ihren Beitrag zur journalistischen Landschaft der genüsslichen Meinungsäußerung. Da geht es dann oft um Politisches, Gesellschaftskritisches, manchmal auch um ganz wunderbar Banales, der S.P.O.N. beschäftigt sogar sieben Kolumnisten, die regelmäßig ihren Senf zu allem Möglichen geben – u. a. Sibylle Berg, Georg Diez und Sascha Lobo.

Dennoch kann diese Vielfalt natürlich nicht darüber hinwegtrösten und -täuschen, dass ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Text noch eine weitere Woche über das Ausbleiben der bissigen Kolumne zum Buch-, Text- und Kulturmarkt Auf ein literarisches … von Frau Hemgesberg informieren muss. Denn eine Kolumnenvertretung kann es einfach nicht geben. Und ganz ehrlich, mein kulinarisch-literarisches Geschick erstreckt sich nicht darauf, die Querelen, Quengeleien und Qualitätsdebatten des literarischen Marktes appetitlich zu feinen Häppchen anzurichten und ich lasse es deshalb auch. Auch unsere Kolumne ist eben autorgebunden. Und da sag noch einmal einer, der Autor sei tot.

Bleiben Sie uns dennoch gewogen.

Sylvia Kokot

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