Auf einen literarischen Mezze-Teller KW 5

Leckerer gemischter Mezze-Teller Foto:  flickr User stijn CC BY-NC-ND 2.0Gestatten: Hemgesberg. Ich lade Sie hier und heute auf diverse delikate Häppchen, eine Mischung schwer im Magen liegender Mezze der vergangenen Woche ein. Setzen Sie sich, es ist genug geschehen in dieser Welt der Fortsetzungsschreiber und an Krankheiten darbender Schriftsteller, damit wir ein wenig plaudern können: Fight Club wird als Graphic Novel fortgesetzt und Henning Mankell macht sein Krebsleiden öffentlich.

von NADINE HEMGESBERG

Mezze: Die türkische Küche ist nun wirklich nicht verlegen um Einlegware und fettiges Schnabulierwerk. Hier ein Zucchini-Puffer, dort eine im Öl schwimmende, gegrillte Aubergine, ein wenig Hummus, ein mit ordentlich Käse gefüllter Pilz und die Mezze-Platte ist fertig, ebenso der Konsument. Pappsatt liegt er da, nahezu erschlagen – Sinnbild für die Unausgewogenheit dieser herausgepickten Nachrichten der vergangenen Woche. Diese wollen als Erzählanlass nun so gar nicht zueinander passen. Zum einen die Bekanntgabe einer Fortsetzung zu Chuck Palahniuks Kultroman Fight Club und zum anderen Mankells Öffentlichmachung seiner Erkrankung.

Der 65-jährige schwedische Schriftsteller und ausgezeichnete Krimiexperte Henning Mankell gab auf seiner Homepage bekannt, an Krebs erkrankt zu sein und über seine Erfahrungen in der Zeitung Göteborgs-Posten schreiben zu wollen http://henningmankell.com/news/henning-mankell-about-his-cancer/. Dies führte zu allerlei mehr oder weniger verständlichen feuilletonistischen Meinungsäußerungen: Ulrich Greiner schreibt zu Mankells Vorhaben in der ZEIT, man solle (gefälligst) diskret sterben, über sein Leiden zu schreiben, sei narzisstisch und bringe niemanden weiter. Greiner schreibt weiterhin, es zeuge viel eher von Mut, diskret mit dem eigenen Sterben umzugehen, in der alten bürgerlichen Gesellschaft habe ja auch das „ungeschriebene Gesetz, Nachbarn oder gar Fremde mit der eigenen Befindlichkeit zu verschonen“, gegolten. Eine andere Herangehensweise, ein sich Erschreiben (in diesem Kontext viel zitiert Susan Sontags Krankheit als Metapher), eine Annäherung an den Krebs in der Metaphorisierung des Kampfes spielt Sebastian Hammelehle im Spiegel durch. Sich in einem Diskurs über Krankheit, Leiden und ja, die Befindlichkeit, auseinanderzusetzen, der nicht a priori sentimental und emotional ist, ist wohl aussichtslos. Den Standpunkt eines Herrn Greiner einzunehmen, ist jedoch weit entfernt von einer Vermittlung der Dringlichkeit, den Tod als Teil unseres Lebens zu begreifen, dem Schrecklichen und dem Unverständnis ein Stück weit die allumfassende Lähmung zu nehmen, indem man gegen sie anschreibt. Die Narzissmus-Keule scheint hier ebenso pietätlos, wie – zumindest oberflächlich – verständlich angesichts der Medienausbeutung und dem Lechzen nach immer neuen Bekenntnissen und Geständnissen, aus denen sich Schriftsteller, Schauspielerinnen und Prominente schälen wie aus der symbolschwangeren Zwiebel. Aber ist nicht jeder Schreiber – ob krank oder gesund – ein kleiner Narzisst? Und wo hört eigentlich Boulevard auf und wo fängt Feuilleton an?

Und dann auch noch das

Von den großen Fragen nach Leben und Tod abgesehen, komme auch ich nun zu einem vergleichsweise banalen Urteil: Fight Club 2, das muss nicht sein. Bedarf der Knalleroman der 1990er Jahre und gefeierte moderne DVD-Klassiker (dessen Ende von dem des Romans stark abweicht) einer medialen Aktualisierung? Einem Sequel in Form einer Graphic Novel? Und wer will schon Jack/Joe/Cornelius im Vorstadt-Idyll mit einer zu Tode gelangweilten Marla erleben? Nur um, oh Wunder oh Wunder, Tyler die Möglichkeit zu geben, das Mittelschichtswohlfühleijapopeija mit subversiver Kraft in bloßes Chaos zu verwandeln? Lassen wir Herrn Palahniuk mal machen und seien wir gespannt, ob Jack anstelle von Selbsthilfegruppen, in einer Knittingcommunity auf Erlösung hofft. Vielleicht ist es ja auch einfach nur viel zu sentimental am Kult eines Einzelphänomens, und im Zeichen des Alleinstellungsmerkmals festzuhalten?!

Und nächste Woche? Vielleicht mal eine Boulevard-Ausgabe mit schäbbigen Bildchen und Vorher-Nachher-Fotos von gefeierten Literaten nach ihrer Chemo? Nein, bitte nicht!

Häppchen alle, auf Wiederlesen.

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