In verschiedenen journalistischen Darstellungsformen berichtet Axel Hacke in Fußballgefühle aus seiner Kindheit, von seinem Job als Sportreporter und seinem Leben als Fußballfreund. Ein Fußballfan ist er nicht, aber ein Bewunderer von Eintracht Braunschweig. Mitunter gehören die Gedankensprünge zum sportlicheren Teil dieses Buches. Hacke versucht zu vermitteln, dass Fußball schöner ist als das Leben.
von MARKUS RYBACKI
Auf dem Schulhof wurde mit plattgedrückten Kakaotüten Fußball gespielt. Das war nicht nur ein sportlicher, sondern bei vielen vor allem ein spannender Zeitvertreib in den Pausen zwischen langweiligen Mathe- und Geschichtsstunden. Dann plaudert Hacke weiter. Wenn er als Junge nicht kickte, dann las er Bücher: „Es war kein Lesen, es war ein Fressen von Geschriebenem, ein Büchervertilgen.“ Allerdings kann er heute nur von einem einzigen Buch den Inhalt wiedergeben. Es ist eine Fußballgeschichte und der Protagonist ebenfalls der Jüngste, Kleinste und Schlechteste in der Mannschaft. Doch dank eines Traums und dem Geschenk der Wunderfußballstiefel wird er zum besten Spieler der Stadt. Natürlich nur der Held aus dem Buch. Axel Hacke nicht. Dieser hatte früher nur ähnliche Angst vor Blamagen wegen seiner schlechten sportlichen Leistungen, aber diese Erzählung gab ihm Selbstvertrauen.
Hacke berichtet von den Menschen der Amundawa-Kultur am Amazonas-Regenwald, von seinem Albtraum, in dem Franz Beckenbauer ihn für die Nationalelf nominierte und von seinen Ängsten als Sportreporter. Er erzählt von kriegsähnlichen Zuständen bei der WM 1998 in Frankreich, wo er den einzigen Fan der iranischen Mannschaft traf, und dieser kam aus Australien. Und er zitiert die deutlichen Worte eines Fußballfans aus Essen über englische Hooligans: „Weißde, wat für so einen Stadionverbot bedeutet?! Dat is, als ob se dir den Pimmel abschneiden.“
Ungeschminkter Größenwahn
Hacke erklärt, warum Fußballspieler Vorteile gegenüber anderen Männern in anderen Jobs haben, warum ein verstopfter Siphon keine Konzentration auf Fußball zulässt und warum sein Brief an die Italiener vor der WM 2006 bisher unbeantwortet blieb. Er philosophiert über schönen Fußball. Bekannte Sprüche von Max Merkel, Andreas Brehme, Dragoslav Stepanović und anderen werden auch hier wiederholt. Poetisch schön spielt er mit zahlreichen Fußballernamen, „wie Anfang und Endler, Scharping und Schröder, Nulle und Nicht, Ernst und Scherz“.
Zudem gibt er einen Ausblick auf die WM 2022 in Katar: „Aber angesichts der Demütigung durch Katar müssen wir bereit sein, Unterstützungsarbeit zu leisten. Wir können Trainer abstellen, die wir nicht benötigen, Lothar Matthäus etwa.“
Fußball sei nur etwas für Männer, schreibt er, Frauenfußball interessiere ihn nicht. Er zieht den FC Bayern allen anderen Fußballklubs vor, er mag den „ungeschminkten Größenwahn des Vereins“. Er guckt Fußball am liebsten alleine, dreht den Ton vom Fernseher weg, möchte dabei nicht beobachtet werden: „Es ist eine Sache zwischen dem Fußball, dem Leben und mir.“
Wiederholungen
Seine Vorstellung, dass die aus Fußballübertragungen bekannte Zeitlupe auch mal im Alltag bei normalen Situationen zum Einsatz kommt, und das Leben nebenher weitergeht – genial, aber schon oft gelesen. Ebenfalls nicht neu ist Hackes Aufregung über Buchhandlungen, Peter Handke und dessen Buch Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Hier wurden viele Zeilen schlichtweg aus einem alten Artikel aus dem Jahr 2006 übernommen. Auch aus einem Artikel aus dem Jahr 2012 wurden große Teile in das Buch eingebaut. Schade ist, dass darauf im Buch selbst nicht hingewiesen wird. Es drängt sich der Verdacht auf, dass im WM-Jahr 2014 unbedingt ein Fußballbuch auf den Markt gebracht werden sollte.
Teures Daumenkino
Die stetigen Wechsel der Themen und der Zeit irritieren anfangs etwas. An Erzählungen aus der Jugend schließen sich Geschichten aus der journalistischen Arbeit an, es folgen Anekdoten aus dem Jahr 2014, und dann wieder der Zeitsprung zurück ins jugendliche Alter. Treffend ist seine Einschätzung der kommunikativen Vorteile: „Das mag ich auch am Fußball: Man kommt bei geringsten Anlässen ins Erzählen.“ Der Aufbau des Buches ähnelt einem langen Abend an der Theke. Auch dort fällt einem immer wieder etwas anderes ein…
Man vermisst oft das Fußballgefühl, aber das liegt vermutlich daran, dass kein Fußballfan, sondern ein Fußballfreund das Buch geschrieben hat. Eine Unterhaltung mit Fußballfans ist empfehlenswerter, dann spürt man wahre Fußballgefühle.
16 Euro für dieses kleine Daumenkino (ein Männchen spielt rechts unten auf den Seiten mit einem Ball und macht am Ende einen Fallrückzieher) wären für ein paar Bierchen beim Fußball vielleicht besser angelegt.