Ihm begegnet Thomas Bernhard im Traum, er muss seine bekannteste Graphic Novel Alte Meister auf einer Buchmesse vor tattrigen Greisen verteidigen und lässt einen auf einem Teppich fliegenden Comic-Guru verlauten: „Bringt Dreck in die Tempel! Blödsinn in die Literaturhäuser! Intertextualität in die Comic-Shops.“ Nicolas Mahlers autobiografischer Comic Franz Kafkas nonstop Lachmaschine ist eine Sammlung humoristischer Erzählungen aus dem Alltag eines Comiczeichners und dessen Dasein im Comic-Betrieb.
von CHRISTOPH BÜRGENER
Eine dieser grafischen Erzählungen ist Ein Traum: Der langnasige, strichdünne Comiczeichner (Mahlers autobiografische Reflexionsfigur) bekommt in seiner Neubauwohnung Besuch von Thomas Bernhard. Es soll ein Kaffeekränzchen mit Rhythmus werden. Doch es wird ein Kaffeeklatsch mit suizidalem Ausklang – Bernhard springt vom Balkon. Plötzlich erscheint noch Bernhards „Tante“, die ihrem Patenkind nach dem Sprung aufhilft und den lädierten Neffen wieder in die Neubauwohnung des Comiczeichners zurück begleitet. Ein Neuanlauf, der doch noch das ersehnte Traum-Kaffee-Kränzchen ermöglicht.
Das Verwursten verwursten
Der Name Graphic Novel ist mittlerweile in den Buchhandlungen angekommen – eigene Tischchen werden dafür präpariert, um das Neue an grafischen Erzählungen zu präsentieren. Verlage wie Suhrkamp beginnen gerade erst mit dem Verlegen dieser grafischen Romane, die dem Medium des Comics zugehörig sind. Mitunter hat Mahler auch literarische Werke wie Thomas Bernhards Alte Meister oder Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften in Graphic Novels transformiert. Mahler selbst spricht vom Verwursten, wenn er auf den Comicbetrieb, aber auch auf seine eigenen Literaturadaptionen und sogar auf die hier rezensierte Lachmaschine schaut.
Mit diesem Blick auf sich selbst und in den Betrieb dieser neueren grafischen Transformationen eröffnet sich zugleich das Feld des Humors. Mahler bedient sich dieses Humors, um das Bild der Skurrilität der Verwurstung von Literatur in Comic und dem damit gleichzeitig einhergehenden Ringen von Etabliertem – und scheinbar Begriffenem (Literatur) – und Neuerem (Comic, dem scheinbar grafisch Dahergelaufenen) zu hinterfragen und aufzuzeigen.
Was wird möglicherweise hinter dem Verwursten verwurstet?
Neben diesem Fragen und Aufzeigen im und am Comic- und Literaturbetrieb sind in Mahlers grafischer Lachmaschine auch (scheinbar) alltäglichere Situationen zu finden: wie das Telefonat des strichdünnen Comiczeichners, der seiner Mutter zu erklären versucht, woran er gerade arbeitet, diese jedoch ständig nur davon spricht, wer alles in ihrem Umfeld das Zeitliche gesegnet hat. Diese Telefonszene kann einfach nur eine Szene zwischen Sohn und Mutter sein. Doch es ist vor allem auch eine Szene, die darauf anspielt, dass der Comiczeichner gerade nicht an irgendeiner Arbeit, sondern an der Literaturadaption von Bernhards Alte Meister sitzt, dessen Hauptfigur Reger der melancholischen Trauer um seine verstorbene Ehefrau verfallen ist. So eröffnet sich mit dem Hintergrund um Alte Meister eine andere Lesart, wenn die Mutter ihrem Sohn und Comiczeichner nicht wirklich zuhört und in stereotyper Art ungeduldig Verstorbenen um Verstorbenen aufzählt – zumal diese repetitive Darbietung an Bernhards wiederholenden Sprachstil erinnert. Eine sprachliche Wiederholung, die in Mahlers neuster Literaturadaption Der Weltverbesserer von Thomas Bernhard sehr deutlich umgesetzt ist.
Das Panel ist der Ring, die Ringer sind Bild und Text
Spätestens im Epilog der Lachmaschine ist klar, dass Mahler den Comic durch den Comic, die Graphic Novel durch die Graphic Novel inszeniert: Der strichdünne Comiczeichner erzählt einem kartoffeldicken Männchen bei Tisch, wie quälend es sei „immer und immer wieder“ dasselbe Bild zu zeichnen. Kurzum: Das Kartoffel-Männchen empfiehlt einfach „nur jedes zweite Bild“ zu zeichnen. Kurzer Prozess – die Gesprächspartner erscheinen nur noch in jedem zweiten Bild. Der Text, der Dialog der Beiden und die Imagination des Lesers/Sehers führen die Unterhaltung weiter – bis dem Leser auch die letzte Komponente (der Dialog) seitens des Autors Mahler genommen wird und mehr und mehr leere Panels die Seiten zieren.
Mahlers Lachmaschine reiht sich in sein humorvoll-grafisches Werk wie Die Zumutungen der Moderne (2007) und Pornografie und Selbstmord (2010) ein. Die Lachmaschine ist eine grafisch-typografische Sektion mit Humor, die das Ringen von Bild und Text im Comic in Form des Comics veranschaulicht und im Zusammen-Finden jener beiden Ringer mündet. Anders gesagt: Möglicherweise ist Mahlers Franz Kafkas nonstop Lachmaschine eine Comic-Maschine, die ihr Inneres, ihre Fähigkeit zur grafischen Darstellung dem Leser offenbart – so, wie der Reisende erhellende Einblicke in die Folter-Maschine in Kafkas In der Strafkolonie erhält.
Nicolas Mahler: Franz Kafkas nonstop Lachmaschine
Reprodukt, 128 Seiten
Preis: 16,00€
ISBN: 978-3-943143-93-5
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