Gestatten Hemgesberg. Das Erfolgsrezept von Wandkalendern mit philosophisch anmutenden Alltagsweisheiten und Aphorismen, die man sich mit blumiger Bordüre an die Wand tackern kann ist so simpel wie erleuchtend (!) genial: Jeder kann und will etwas damit anfangen können. Paulo Coelhos Der Alchemist, dieses vor Dichte und Brillianz strotzende Stück Literatur, bildet da keine Ausnahme. Das erkannte nun auch der Happy-Musik-Guru Pharrell Williams, das seichte Machwerk sei eine Inspiration gewesen. Eine Spurensuche.
von NADINE HEMGESBERG
Was ließe sich da ins Feld führen, für dieses Urquell menschlicher Sehnsuchtserfüllung? Vielleicht Textstellen wie diese: „‚Am zweiten Tag nach unserer Begegnung‘, sagte Fatima, ‚hast du mir deine Liebe gestanden. Danach hast du mir schöne Dinge beigebracht, wie beispielsweise die Sprache und die Seele der Welt. Durch all das werde ich allmählich ein Teil von dir.‘“ Jaaaa, das ist der Stoff aus dem Hausfrauenträume gemacht sind. Wie sich diese unsagbar große Inspiration dann auf das Leben von Williams ausmaß, besprach er, ganz intim, mit der großen Geständnis-Talkerin Oprah Winfrey. Ist diese Unterhaltung nicht so viel mehr als tausend Worte?
Pharrell Williams: […] The Alchemist. It changed my hooooole life because I realised all of the people who had conspired to get me to this place.
Oprah Winfrey: Oooohhh i love The Alchemist.
Pharell Williams: Man that book is … it would change your life.
Oprah Winfrey: You know why? Because it absolutely shows you that if you have a desire the universe would rise up to meet you exactly where you are.
Pharrell: Oh yes.
Oprah: Yeah.
Pharrell: Oh yes.
Oprah: Yeah.
Pharrell: Yes. You have to be unafraid to dream.
Oprah: Right.
Danach folgen noch einige Gänsehaut streuende Momente des „wows“ und „ooohs“. Richtig tiefgründiger Scheiß. Nun habe ich mir gedacht, welch großer Spaß es doch wäre, wenn man den Spieß einmal umdreht: Die Großen der Weltliteratur und Gegenwartsliteratur antreten lässt, um ihnen ganz gravierende Einflüsse – fernab der allzu oft herbeizitierten Klassischen Musik und der pophistorischen Unmöglichkeit –, die ihr schriftstellerisches Machwerk begleitet haben könnte, auf den Leib zu dichten:
Hört die Dichterfürstin Sibylle Lewitscharoff gar Rammsteins „Ich will kein Engel sein“ in ihrem Arbeitszimmer oder summte sie versonnen den Refrain von „The lion sleeps tonight“ als sie Blumenberg den Löwen imaginierte? Stellen Sie sich doch nur Günter Grass vor wie er Schnurrbart zwirbelnd und auf den stampfenden Oberschenkel schlagend „Faster Harder, Sccoter“ brüllt während er an der Blechtrommel schreibt. Oder Patrick Süskind, der mit Grass musikalisch ganz auf einer Wellenlänge surft und seinem kleinen Wildfang Grenouille in der Stunde der Geburt „How much is the fish“ ins Ohr flüstert. Und Sibylle Berg schmettert ganz unverblümt und performativ „Weil ich ein Mädchen bin“ ….
Häppchen alle, Ohren blutig, auf Wiederlesen.
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