Daniel Glattauer beglückt uns mit seiner neuen Komödie Die Wunderübung und führt uns zugleich tief durch den Dschungel zwischenmenschlicher Beziehungen und Gefühle: Ein Wunder, dass Menschen überhaupt miteinander auskommen.
von SARAH HERHAUSEN
Joana und Valentin Dorek sind am Ende: Bei dem Ehepaar ist absolut die Luft raus. Joana straft ihren Mann mit ihrem andauernden Redeschwall ab. Valentin gibt den Coolen, der sich nichts annimmt. Beiden ist ihre ausweglose Situation klar, beide suchen die Fehler aber nur beim jeweils Anderen. Von Verständnis füreinander keine Spur. Der Therapeut, an den sie sich wenden, steht vor einer großen Aufgabe, die sich nicht durch herkömmliche Übungen lösen lässt. Da muss dann die titelgebende Wunderübung her!
Spiegel der Emotionen
Wieder einmal beschreibt Glattauer präzise die Gefühlswelt der Menschen. Er zeigt die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen und hält uns den Spiegel vor. So kratzbürstig wie Joana waren wir doch alle bereits mal. Und so stur wie Valentin waren Sie doch sicherlich auch schon, oder?
Wie immer schreibt Glattauer mit Witz und Charme, obwohl das Ehepaar Dorek einen wirklich furchtbaren Auftritt hinlegt. Man ist geneigt, die beiden rauszuwerfen und mit dem Therapeuten Mitleid zu haben. Gleichzeitig fühlt man jedoch mit den Ehepartnern und wünscht sich ein Happy-End. Glattauer schafft es, die Gedanken des Lesers zu lenken, ihn auf seine Seite zu bringen. Es gelingt ihm, den Leser, trotz der Kürze des Textes und den doch eindeutig nicht sehr sympathischen Hauptfiguren Joana und Valentin, in die emotional aufgeladene Gefühlswelt des Textes hineinzuziehen.
Kurz(weilig)e Unterhaltung
Doch beim näheren Hinsehen muss ich feststellen: Ich bin nicht durchweg überzeugt. Die Komödie ist kurzweilig, sie ist nett, aber auch eben sehr kurz und vorhersehbar. Der dialogische Charakter lässt die 112 Seiten wie 35 erscheinen und ich frage mich, ob es dann nicht doch etwas mehr hätte sein können. Im Gegensatz zu Gut gegen Nordwind, das 2006 erschien, und seiner Fortsetzung Alle sieben Wellen (2009) hat Glattauer hier schlapp gemacht. Musste hier einfach nur mal wieder ein Buch publiziert werden?
Sollten wir Verständnis haben für Herrn Glattauer, der sich gern nebenher ein paar Kronen dazuverdient? Sollen wir Verständnis dafür haben, mal nicht von einem Buch so sehr (!) vom Hocker gerissen zu sein, denn man kann ja nicht immer Wunder verlangen? Lassen wir den Text mit den Worten Joanas doch selbst zu Wort kommen: „Außerdem sehen Sie ja, wo Verständnis hinführt, wenn nicht beide das Gleiche darunter verstehen.“ Ich verstehe offenbar nicht das Gleiche darunter und verbleibe nett unterhalten, aber nicht überzeugt.