Drogenrausch im Sommernachtstraum

Ein Sommernachtstraum: Oberon (Michael Schütz) und Titania (Katharina Linder)   Foto: Diana Küster

Ein Sommernachtstraum: Oberon (Michael Schütz) und Titania (Katharina Linder) Foto: Diana Küster

Es gibt Stücke, die so oft ihren Weg auf die Bühne gefunden haben, dass sich die Fragen stellen: Wie soll es möglich sein, Besucher aller Altersstufen mit dem ‚alten Hut‘ noch anzulocken? Und wie kann der Stoff noch neu erzählt werden? – Shakespeares Sommernachtstraum ist genau eines dieser Stücke. Christina Paulhofer katapultiert mit ihrer Inszenierung Shakespeares Verwechslungskomödie in eine Gegenwart zwischen Bankenkrise, Drogenrausch und Elektrobeats.

von NINA STEINERT

In der Mitte der sparsam eingerichteten Bühne befindet sich ein beidseitig begehbares Podest, das während des gesamten Stückes mehrfach auf und abfahren wird und als Wand, Herrschersitz und Versteck fungiert. Dort liegt Hippolyta (Katharina Linder) und starrt gen Himmel. Gemeinsam mit Theseus (Michael Schütz), der hier als eine Art Herrscher der Wallstreet eingeführt wird, bildet sie den Auftakt. Während er, von sich selbst überzeugt, voller Tatendrang spricht, scheint Hippolyta bereits genervt von all dem Trubel um ihre Hochzeit.

Konstellationen des Begehrens

Ein Plot: Hermia (Kristina Peters) und Lysander (Nicola Mastroberardino) lieben einander, aber Demetrius (Matthias Eberle) stellt sich ihnen in den Weg. Hermia sei ihm versprochen und er will davon nicht abrücken. Helena (Minna Wündrich) wiederum verfolgt Demetrius, verzückt vor Liebe, denn zuvor gehörte ihr sein Herz. Theseus gibt Hermia einen Tag Zeit, um sich zu entscheiden. Sollte sie sich gegen Demetrius entscheiden, bedeutet das ihren Tod.

Die Hebebühne wird hinuntergefahren und ein massiger Puck (Günter Alt) betritt träge aus dem Hintergrund den Schauplatz: Central Park. Das Licht schimmert dunkelgrün und Rauch vernebelt die Bühne. Plötzlich dröhnt Technomusik aus den Boxen: Titanias Auftritt, begleitet von vier gogolike bekleideten Elfen, tanzt sie auf der Bühne, beobachtet von Oberon und Puck.

Die beiden Herrscher der Elfen liegen im Streit um einen jungen Knaben, den Titania nicht heraus rücken will. Oberon beschließt mithilfe Pucks Titania zu verzaubern, um an sein Ziel zu gelangen. Sie soll sich in das nächste (am liebsten in ein scheußliches) Lebewesen verlieben, das ihr über den Weg läuft. Mit gleichen Mitteln will Oberon die missliche Konstellation zwischen Lysander, Hermia, Demetrius und Helena auflösen. Puck soll Demetrius berauschen, sodass dieser wieder für Helena entflammt.

Berauschende Verwirrung im Central Park

Die Shakespearsche Vertauschung ist vorhersehbar, aber dadurch nicht weniger amüsant: Puck verwechselt die Männer. Statt Demetrius erhält Lysander die Droge. Misslich nur, dass es Helenas Gesicht ist, das er als erstes erblickt. Nicht mehr Hermia, sondern Helena folgt er nun wie ein treuer Hund. Oberon, der den Fehler bemerkt, setzt schließlich auch Demetrius unter Drogen. Die Situation kann nur eskalieren: Helena wird nun von Demetrius und Lysander verfolgt. Sie und Hermia geraten in Streit. Bestürzt von der Liebe und bedrängt von den Männern, entleert Helena ihre Blase auf der Bühne. Lysander und Demetrius rutschten verzückt hindurch, ihr hinterher.

Titania schließlich arbeitet sich in ihrem Liebeswahn mit ekstatischen I’s und A’s an dem in einen Esel verwandelten Banker Jonathan (Jürgern Harmann) ab. Das Spiel mit Drogen, Lust und Liebe könnte kaum größer Ausmaße annehmen. Wie auch immer, die Situation löst sich am Ende. Nicht jedoch, ohne ein weiteres Mal mit gleißendem Neonlicht, Beats und jetzt auch noch mit einer Wasserfontäne aufzuwarten.

Etwas Shakespeare ist geblieben

Christina Paulhofer hält sich an die drei Handlungsstrukturen des Stückes. Die Hochzeit, die Liebenden und die Tragödie von Pyramus und Thisbe finden ihren Weg auf die Bühne. Gleichzeitig ist der Sprung in die Moderne gelungen. Mit viel Witz, Lust und lauter Musik zieht das Stück die Zuschauer in seinen Bann. Puck steht mit einem Sesamstraßenshirt auf der Bühne und nuckelt genüsslich an einem Joint. Lysander gibt sich als Hipster, der mehr schlecht als recht versucht, mit einer Gitarre ein Lied der Beatles zum besten zu geben und Hermia bewegt sich mit ulkigen Verrenkungen und steppenden Schrittfolgen zu seinem Lied. In Lapdanceeinlagen lassen die Elfen ihre Hüften kreisen und der Einsatz von grellem Licht und lauter Musik unterstützt den auf die Bühne gebrachten Rauschzustand. Es wird in Reimen gesprochen. Aber in einem wirklichen Widerspruch steht diese Tradition nicht zu den Modernisierungen, harmoniert die Sprache doch so  wunderbar mit dem vorgetragenen Drogenkonsum.

Die Neuinszenierung ist grandios. Paulhofer hat es mit vielen Details geschafft, das Spiel zwischen Moderne und Vergangenheit aufrecht zu erhalten. Der Shakespeare Stoff ist nach wie vor aktuell und lässt sich mit viel Witz und Charme immer wieder auf verschiedene Weise darstellen. Fast bis zum letzten Platz war der Zuschauerraum am 15. Mai belegt und der Applaus wollte nicht abebben. Für knapp zweieinhalb Stunden wurde das Publikum in eine vermeintlich ferne Welt entführt, die nach längerer Betrachtung doch gar nicht so weit weg zu sein scheint.

 

Nächste Termine: Fr. 23. 05., Fr. 06.06., Mi. 18.06., jeweils 19:30 Uhr.
Achtung, nur noch wenige Karten.
Schauspielhaus Bochum
Preise: 12 – 29 € (regulär) bzw. 8 – 15 € (ermäßigt)

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