Ehegeschichten gibt es viele. Die meisten handeln davon, wie es schief geht. Da ist Eine strahlende Zukunft keine Ausnahme, aber die Art, wie sie schief geht, ist spannend. Irgendwo zwischen Mad Men, American Beauty und Carnage entwickelt Richard Yates hier zwei Lebensgeschichten, die eine Weile gemeinsam verlaufen und das in einer äußerst aufregenden Zeit: Direkt nach dem Krieg scheint jeder Weg in eine strahlende Zukunft zu führen, trotzdem verharren Michael und Lucy lediglich als Zuschauer ihres eigenen. Ein hervorragender Roman – 30 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nun endlich auch in deutscher Übersetzung.
von SOLVEJG NITZKE
Michael Davenport war bei der Air Force. Obwohl es für ihn immer seltsam bleibt, für seinen Mut gelobt und als Held gefeiert zu werden, sonnt er sich irgendwie in diesem Glanz. Zwar hat er seine Zeit im Krieg nicht in allzu guter Erinnerung, in der Zeit danach weiß er die ihm daraus erwachsenen Privilegien jedoch zu nutzen und studiert in Harvard. Er plant eine Zukunft als Schriftsteller. Was ihm fehlt, ist eine hübsche und fleißige Ehefrau. Ende der 1940er findet ein Harvard-Mann wie Michael eine solche offenbar – wie auf dem Silbertablett serviert – im angrenzenden Ratcliffe College für junge Damen.
Ehe mit Verfallsdatum
Beide teilen die Liebe fürs Theater und während der Proben zu Michaels erstem Theaterstück verlieben sie sich gerade genug ineinander, um direkt nach dem Abschluss zu heiraten. Von allen schrecklichen Enthüllungen, die in Hochzeitsnächten in Romanen, Filmen und Seifenopern stattfinden können, ist Lucys wohl diejenige, die am ehesten einem Lotteriegewinn gleicht. Sie eröffnet ihrem frischgebackenen Ehemann, was dieser bisher nur vermuten konnte: Sie ist schwerreich und er ist entsetzt. Was soll dabei herauskommen? Michael verbietet seiner Frau ihr Vermögen anzurühren, er will es selbst schaffen, lässt sich für seine Integrität loben und kann sich nicht von dem Gedanken lösen, dass sie alles tun könnten, was sie wollen, wenn sie nur ihr Geld benutzen würden, was jedoch bedeuten würde, dass er seine Männlichkeit aufgeben müsste. Gleichzeitig ist Lucy damit beschäftigt, vor ihm zu verbergen, dass sie ähnliche Gedanken hat. Das ist aber nicht das einzige Problem, denn Michaels und Lucys Ehrgeiz richtet sich nicht nur auf ihr eigenes Schaffen, bzw. Michaels künstlerische Ambitionen, sondern vielmehr darauf, den richtigen Kreisen anzugehören.
Es ist selbst beim Lesen schwer auszuhalten, den beiden dabei zuzusehen, wie sie sich bemühen, dazuzugehören. Aber es sind genau diese Stellen, an denen Eine strahlende Zukunft seine erzählerische Kraft entfaltet. So wenig es Lucy und Michael – ob gemeinsam oder allein – gelingt, aus ihrer Isolation auszubrechen, oder in irgendeiner Art und Weise ihren Träumen auch nur nahe zu kommen, so sehr gelingt es diesem Text, ihre Bemühungen zu verfolgen, ohne sie zu entschuldigen oder zu sehr zu verurteilen. Die Klarheit der Erzählung steht dabei in krassem Kontrast zu der immer mehr von Alkohol vernebelten Lebensführung ihrer Protagonisten. Stets findet sich das ein oder andere Glas Whiskey, um den Lärm der Außenwelt zu dämpfen und das eigene Scheitern erträglich zu machen. Irgendwann hilft aber auch das nicht mehr. Die Scheidung wird beschlossen, die Tochter bleibt (wo sonst?) bei der Mutter, und nun scheinen endlich alle Zeichen darauf hin zu deuten, dass nun alles besser wird.
Selbstverwirklichungsterror
Wieder erweist sich die Freiheit zu tun und zu lassen, was man will, für Lucy und Michael als Fluch. Endlich in der Lage, ihr Geld auch auszugeben, sollte Lucy, so könnte man meinen, endlich nichts mehr dabei im Wege stehen, ihr Glück zu finden. Stattdessen bleibt sie in Tonapac, intensiviert ihre Besuche beim Psychiater und versucht sich in Liebschaften und darin, ihre eigenen künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen, oder eher noch, endlich auch einmal auf sich aufmerksam zu machen. Doch die einzige, die sie zu beachten scheint, ist – wieder einmal – sie selbst. Auch wenn sie, anders als Michael, wegen (oder trotz) ihrer Therapie niemals zusammenbricht, gelingt es ihr nicht, sich um ihre Tochter zu kümmern – nicht auf eine Weise jedenfalls, die Laura gerecht würde. Pubertät und wilde Siebziger sind keine gute Kombination für ein Mädchen ohne Rückhalt …
Im Laufe des Romans wird immer deutlicher, dass alle Figuren unter enormem Druck stehen. Niemand verlangt direkt etwas von ihnen und doch erzählt diese Geschichte von einem permanenten und gnadenlosen Scheitern aller Beteiligten. Der Zwang, etwas aus sich zu machen, seine Chancen zu nutzen und vor allem glücklich zu werden, zieht sich als unsichtbare, aber dadurch nur umso intensiver spürbare Kraft durch die Leben der Figuren und zeichnet ein ganz anderes Bild von einer Zeit, die im nostalgischen Rückblick oft zur letzten Bastion ‚guter‘ Werte – Moral, Familie, Sicherheit – verklärt wird.
Richard Yates’ Roman ist nicht der erste, der eine ‚Entzauberung‘ dieser Phase der Geschichte vornimmt, aber in seiner Ausrichtung auf die künstlerischen Ambitionen seiner Protagonisten und ihre unermüdlichen Versuche dazu zu gehören und ‚etwas’ darzustellen und dabei doch nur die eigene Mittelmäßigkeit zu bestätigen, erzählt dieser Text von einer Sehnsucht zur Selbstverwirklichung, die seinen Lesern auch dreißig Jahre nach seinem Erscheinen nicht fremd sein wird.
Richard Yates: Eine Strahlende Zukunft
DVA, 496 Seiten
Preis: 22,99
ISBN: 978-3-421-04611-6
Pingback: (Die Sonntagsleserin) KW #22 – Mai/Juni 2014 | Bücherphilosophin
Pingback: Sonntagsleserin KW #22 – 2014 | buchpost