Blaubart – Womanizer wider Willen

Blaubart – Hoffnung der Frauen: Sarah Grunert (Julia), Marco Massafra (Blaubart); Foto: Diana KüsterDas Bochumer Schauspielhaus zeigt im Theater Unten Dea Lohers moderne Blaubart-Geschichte Blaubart – Hoffnung der Frauen. Selen Kara lässt in ihrem Regiedebüt sieben Figuren an falschen Vorstellungen von Liebe leiden. Der Text hat Schwächen. Aber die Inszenierung macht was draus.

von FABIAN MAY

„Und sah er sich im Lustgenießen,
nach dem sein Blut verzweifelnd schrie,
in eine Frau hinüberfließen –
erschlug er sie.“
Reinhard Koester (1911)

Lieben ist nie ganz einfach. In diesem Stück ist es sogar tödlich. Jedes einzelne Mal. So erlebt es Blaubart – Hoffnung der Frauen zu Beginn von Dea Lohers skurrilem Stationendrama (UA: 1997). „Ich liebe dich über die Maßen“, sagt die 17-jährige Julia – die beiden haben sich eben erst kennengelernt und sofort auf der Parkbank geheiratet –, dann trinkt sie Gift und stirbt. Für ihn.

Ein eher böses Märchen

Heinrich Blaubart (irritiert und sexy: Marco Massafra), ein anfangs sanfter Mann, Typ Dekorateur, weiß nicht, wie ihm geschieht. Das ist sein Trauma. Fortan wird er immer wieder von Frauen verhaftet und so lange mit ihren Liebeswünschen und Projektionen überhäuft, bis ihm eine Sicherung durchbrennt und er sie tötet.

Auf der sinnfälligen Bühne (Lydia Merkel) ist Blaubarts geheime Kammer ein aufklappbares Gemäuer aus Schuhkartons, ein zwanghaftes, gräulich-cremeweißes Gefängnis voller Schaufensterpuppen. Man hat das Gefühl, so mag Heinrich seine Frauen am liebsten: passiv wie er selbst. Am Ende werden alle Frauen Puppen gewesen sein, als Heinrich in einem plötzlichen Wutausbruch (und der obligatorischen Zerstörung des Bühnenbilds) die Mannequins brutal auf einen Haufen schmeißt, und seine vorletzte Frau Christiane dazu.

Balubart – Hoffnung der Frauen, Marco Massafra (Blaubart) in seiner Kammer; Foto: Diana KüsterÜber einen dysfunktionalen Liebesbegriff

Eine weibliche Stimme vom Band formuliert Blaubarts Gefängnis: „Vielleicht würde er diesem Motto [form follows function] bei der Auswahl für ihn geeigneter Frauen folgen. Wäre er sich seiner Bedürfnisse und Vorlieben überhaupt bewusst, und wäre er derjenige, der auswählte.“ Anschließend erklärt die Stimme, was Frauen an Heinrichs devotem Schuhverkäufertum lieben müssen: „diese seine Haltung also erinnerte die Frauen notgedrungen an das Märchen vom lange zu Unrecht verkannten Aschenputtel, dem endlich der Ritter den richtigen Schuh anpasst“.

Ein Ritter ist Heinrich nicht, eher ein Spielball. Tragik und Größe lässt der Text ihn gar nicht erst entwickeln. Auch die sechs Sterbenden (vielgestaltig, doch immer herb: Sarah Grunert) haben kaum Zeit, mehr Individualität über ihre Neurose hinaus zu entwickeln. Nur die standhafte Blinde (lasziv und überzeugend blind: Sabine Osthoff) erhält eine Handlungsmacht – sie ist die Einzige, die nachvollziehbar auf den blassen Typen reagiert.

Regisseurin überflügelt den Text

Ein schwieriger Text für ein Regie-Debüt. Umso bemerkenswerter, was Selen Kara mit Massafra, Osthoff und Grunert (in lässig-sparsamen Kostümen von Emir Medic) daraus gemacht hat: „Reduziert“ und „intensiv“ war zu hören, als das Publikum nach längerem Applaus auseinanderging. Für Gesprächsstoff sorgten weiterhin die wirkungsvolle Klappbühnen-Konstruktion und die 1920er-Eleganz der Inszenierung. Der komödienhaft-expressive Spielstil belebt das Text-Material regelmäßig mit Auflachern und gibt ihm eine Leichtigkeit, die es an sich so oft nicht hat.

Fazit: 80 unterhaltsame Minuten darüber, wie fatal man sich mit übersteigerten Erwartungen an die Liebe vergaloppieren kann. Wer vom Theater erwartet, dass es Körper in Bewegung zeigt und dabei unterhält, wird auf seine Kosten kommen. Und wer meint, unbedingt ein gesellschaftspolitisches Gespräch über Selbstverwirklichung und serielle Monogamie anschließen zu müssen, wird das auch hinkriegen. Für beide Zielgruppen gilt: Das Interesse an Karas hoffentlich baldiger zweiter Inszenierung ist geweckt.

Informationen zum Stück

Nächste Vorstellungen:
Montag, den 19. Januar 2015
Mittwoch, den 28. Januar 2015
Freitag, den 06. Februar 2015

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