Die (un)spaßige Hitler-Revue

Er ist wieder da in Castrop-Rauxel   Foto: Volker BeushausenTimur Vermes gelang mit seiner Hitler-Satire Er ist wieder da 2012 wahrlich ein Instanterfolg beim deutschsprachigen Publikum und war ein Jahr lang nicht aus der Spiegel-Bestsellerliste zu verdrängen. Einerseits gefeiert, andererseits vom Feuilleton demontiert, knackte Vermes mit seinem Roman und der dazugehörigen Hörbuchfassung mit Christoph Maria Herbst die Millionengrenze der Verkaufszahlen. Zeitgleich mit dem Landestheater Schwaben sicherte sich nun das Landestheater Westfalen die Aufführungsrechte: Regisseur Gert Becker brachte in Castrop-Rauxel eine klamaukig-ernste Hitler-Revue auf die Bühne, die nun auf Tournee geht.

von NADINE HEMGESBERG

Am Ende applaudiert das Publikum in der Castrop-Rauxeler Stadthalle ausdauernd und, ein wenig irritierend, im Überlauf der Verzückung rhythmisch. Der Kollege neben mir klatscht raumgreifend ungelenk, kurz trampelt er auf, ehe er sich eines Besseren besinnt und die zappeligen Knie wieder still hält. Auf der Bühne verneigen sich zwei Hitlerdarsteller und das restliche Ensemble, unbestimmt mulmig wird einem trotz der Theatersituation. Es sind die letzten Minuten des Stückes von Regisseur Gert Becker (Interview beim WDR) und exakt dieser Moment im Einklang des rhythmisch wabernden Klatschens, der einem die Verführungen dieses Abends vor Augen führt. Zwei Stunden lang wurde man pointensicher und fast zu jedem Ende einer Nummer oder eines Szenenbildes in der nicht ganz so musikalischen Revue, wie es diese Kategorisierung doch eigentlich vermuten ließe, mit einem Lacher in die nächste Miniatur entlassen. Bis sich am Ende alle SchauspielerInnen auf der Bühne einfinden, zunächst mit dem Rücken zum Publikum stehen und sich danach der Reihe nach umdrehen, kein Wort mehr, es wurde genug gesagt, ernst schauen sie in den Raum, halten dem Publikum den Spiegel vor, bis sich auch der Letzte umgedreht hat und das Licht nun endgültig erlischt. „Es war nicht alles schlecht“, prangte zuvor noch in Fraktur in der Mitte der Bühne auf dem rohen Spritzbeton – als neuer Image-Claim für die nächste Hitler-Kampagne, damit sich vielleicht auch das ernste Thema „Juden“ ein bisschen besser verkauft. Das ist Satire, das ist böse, diese letzten Minuten waren ausnehmend gut.

Muss man das auch noch auf die Bühne bringen?

In Timur Vermes’ Roman Er ist wieder da, der bei Eichborn im Hardcover für den Preis von 19,33 Euro an die Kundschaft gebracht wird, wacht Adolf Hitler nach 66 Jahren eines nicht näher erklärten Dornröschenschlafes auf – mitten in Berlin im Jahre 2011, keinen Tag gealtert und in voller Nazimontur. Hier setzt auch das Bühnenstück in medias res ein: Zu Wagnerklängen erwacht Adolf Hitler (Guido Thurk facettenreich: mal mit resigniert hängenden Wangen, mal gespenstisch R-rollend) zu neuem, altem Leben. Er stakst durch Berlin, begegnet einem Kioskverkäufer, der gleich die nächste große Comedynummer erahnt, der sei ja so wie Stromberg, nur noch besser und authentischer. Der Medienhype um diesen Knaller der Unterhaltungsbranche will nicht mehr abbrechen, eine eigene Sendung bei der Firma Flashlight folgt, Hitler wird gar zum großen YouTube-Star und das alles mit den hohlen Parolen des Vollblutnazis, dessen einzige Verfehlung die Fälschung der Mitgliedsnummer bei der NSDAP gewesen sei. Mancher Witz ist allzu flach, mancher „Witz“ entlarvt aber eben auch den Lachenden im Publikum und das eigene Ressentiment.

Durch den gekonnten Kniff der Hitlerverdopplung – das doppelte Nazilottchen – bügelt die Bühnenfassung von Becker eine der größten Schwächen der Romanvorlage aus, die bereits Volker Surmann in der Taz anführte: „Die Erzählhaltung ist schriftstellerisch ungeschickt. Denn die Innensicht Hitlers nicht zu verlassen führt dazu, dass gut fünfzig Prozent des Romans aus seitenlangen, penetrant redundanten Etüden des Hitlererzählers über die Verwendbarkeit des 2011 vorgefundenen Menschenmaterials für nationale Zwecke und Feldzüge bestehen.“ Verdümpelt die literarische Vorlage noch in elendig langen Selbstbespiegelungen Hitlers im inneren Monolog, so entgeht der Regisseur dieser Verflachung durch den Einsatz eines aus der Innensicht kommentierenden Hitlers. Stets im grellen Rampenlicht, die Hände gefaltet, seriös im schwarzen Anzug starrt Burghart Braun mit teils irrem fanatischem Blick in das Dunkel der vierten Wand.

Aktuell wie nie?

Natürlich, das Bühnenstück ist ebenso wie der Roman anschlussfähig für aktuelle Debatten: Etwa wenn es um Pegida-AnhängerInnen, deren Aufmärsche und die Verunglimpfung der Presse als „Lügenpresse“ geht. Oder wenn man sich die Frage stellt, ob so etwas wie die brutale Naziherrschaft noch einmal geschehen kann, ob ein Mensch noch einmal solch eine Verführungsmacht für die Massen haben kann wie Adolf Hitler oder welchen Massenverführungen die gegenwärtige Gesellschaft gerade erliegt. Und auch wenn all das auf der Bühne bittere Satire ist, genau diese Fragen scheint das Stück zu stellen, scheint das Ensemble zu stellen, wenn es kollektiv den Blick auf das Publikum richtet: Hast Du gelacht? An welcher Stelle hast Du gelacht? Hast Du vielleicht innerlich doch genickt, wenn Du es nicht hättest tun sollen?

Nächste Vorstellungen:
Donnerstag, den 5. Februar in Rheine
Freitag, den 6. Februar in Bocholt
Freitag, den 13. Februar in Hamm
Informationen zum Stück
Ausschnitt des Stückes bei der WDR Lokalzeit Dortmund

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