Road to the Oscars: Am 22. Februar ist es endlich so weit, die Oscars werden zum nunmehr 87. Mal von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences vergeben. Ein paar AnwärterInnen nehmen wir hier unter die Lupe.
von NADINE HEMGESBERG
Nein, unter die Objektophilen oder Dendrophilen muss man nicht gleich gehen, um diese Marvel Comicverfilmung zu mögen: Guardians of the Galaxy (Regie: James Gunn) – mittlerweile auch auf DVD und Blu-ray erschienen – bietet hervorragende Unterhaltung, zerstörerisches Kabumm, grandiose Dialoge, einen Baum, den man einfach lieben muss (ein drei Wörter umfassender Wortschatz gepaart mit erstaunlicher „Humanität“ und einem diebischen Sadismus, ja, das hat Sinn), und äußerst amüsante Reminiszenzen zur jüngeren Kinogeschichte. Dass Zoë Saldaña in der Gestalt von Gamora das Grün bei Weitem nicht so gut steht wie das Blau als Navii in James Camerons Avatar, ist da nur ein kleiner Wermutstropfen auf dem ansonsten gut geölten heißen Spaßstein. Zu diesem äußerst kurzweiligen Vergnügen aus dem fast unerschöpflichen Marvel-Universum trägt vor allem ein großartiger Retro-Soundtrack (Musik: Tyler Bates) mit solchen Klassikern wie Marvin Gayes „Ain’t no mountain high enough“ oder Rupert Holmes „Piña Colada Song“ bei. Das beeindruckend ausgefeilte Make-Up für all die intergalaktischen Kreaturen und die Special Effects, die der Action die passende Bildsprache verleihen – in beiden Kategorien ein sehr guter Anwärter auf den diesjährigen Oscar – machen Guardians of the Galaxy mit seinen liebenswert-chaotisch-heroischen Protagonisten zu einem Hingucker.
Cumberbatch = Sherlock?
Mit seiner Verkörperung Sherlocks in der BBC-Neuinterpretation von Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes-Stoff hat sich Benedict Cumberbatch als Schauspieler einen weltweiten Namen gemacht – die selbsternannten Cumberbitches liegen ihm zu Füßen. In der Serie gibt er den ebenso genialen wie eitlen Detektiv-Pfau mit Asperger vermuten lassenden Symptomen und mit sich fast überschlagend-schneller Sprachgewalt. Noch mit eben jenem Duktus und Auftreten im Hinterkopf, hat man zu Beginn von The Imitation Game (Regie: Morten Tyldum) eine Art Déjà-vu. In diesem Biopic spielt Cumberbatch nämlich nun den ebenso genialen und – wie könnte es anders sein – heutzutage vielleicht auch als Asperger diagnostizierten Mathematiker Alan Turing. Dieser entschlüsselte im Zweiten Weltkrieg im Auftrag der britischen Regierung den Enigma-Code der Nazis, war einer der bedeutendsten Informatiker und Kryptografen und wurde in den frühen 1950er Jahren zunächst wegen „Unzucht“ verhaftet und dann wegen seiner Homosexualität chemisch zwangskastriert. Dass eben jenem Aspekt von Turings Persönlichkeit, der seiner Homosexualität, nicht genügend Platz in der Verfilmung eingeräumt sein soll, sorgte für zahlreiche Diskussionen. Rich Juzwiak setzt sich mit eben dieser Frage „But is it gay enough?“ im Gawker ausführlich auseinander. Für acht Oscars ist der Film nominiert – über den doch sehr Sherlockesken Beginn hinweg schafft es Cumberbatch, der in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ nominiert ist, allerdings, seinem Turing eine innere Zerrissenheit bei gleichzeitiger verbohrter Eitelkeit und eine ganz eigene Genieästhetik zu verleihen, die nicht nur anrührt, sondern die ganze Bandbreite seines schauspielerischen Talentes wiedergibt. Keira Knigthley dürfte es (bei gleich welcher Konkurrenz) schwer haben, den Oscar für sich zu ergattern, ist ihre Joan Clarke doch das ewig zahme und flauschige Rehkitz unter den nerdigen Hardcore-Kryptografinnen. Die Guardian-Kolumnistin Catherine Shoard brachte es wunderbar amüsant auf den Punkt: „Keira Knightley is cute as the brainbox to whom Turing is briefly engaged. It pushes buttons with routine ease, decodes a complex bit of cryptography into something even the groggiest of us could follow. It does nothing to rock the boat, nothing you wouldn’t predict.“ The Imitation Game ist solides, manchmal ein wenig verkitschtes Hollywood-Kino mit einem herausragenden Benedict Cumberbatch, wird allerdings aus seinen acht Nominierungen vermutlich nicht viel herausholen können.
Foxkrepierer
Wenn man sich den Trailer zu Foxcatcher (Regie: Bennett Miller), der Filmbiografie zum Leben, Ringen und Morden von John du Pont und den Ringerbrüdern Mark und Dave Schultz, ansieht, denkt man an ein düsteres, fast schon mysteriöses und vor allem spannungsgeladenes Drama. Dass in den meisten Trailern schon der heißeste Scheiß der Filme verbraten wird, ist leider auch bekannt. Es macht einen dennoch immer wieder betroffen, und in diesem Fall ist es wirklich bemerkenswert, wie im Trailer von Foxcatcher mit schnellen Schnitten eine so völlig andere Dynamik und Atmosphäre geschaffen wird, der der eigentliche Film so gar nicht gerecht werden will. Fünf Oscarnominierungen stehen für Millers Biopic zu Buche. Und vor allem Steve Carells Leistung als ekelhaft verzogener Spross John du Pont in mittleren Jahren, der seinen Mutterkomplex nie losgeworden ist, sich als Hobbyornithologe großtut und dessen Freunde nicht nur seine Mutter bezahlen muss, damit sie etwas mit ihm zu tun haben wollen. Nein, auch er selbst muss sich seine „Freunde“ kaufen und geriert in bester Sugar-Daddy Manier. Kurzerhand erstellt er einen ganzen schwitzend-ringenden Hofstaat und quartiert ihn auf dem du Pont-Anwesen ein, um für die Weltmeisterschaften zu trainieren und die Olympischen Spiele – das Team Foxcatcher ist geboren. Das ist die Rolle, mit der Carell zeigen kann, dass er eben nicht nur der Spaßvogel aus Jungfrau (40), männlich, sucht … (2005), Dinner für Spinner (2010) oder in Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy (2004) und Anchorman – Die Legende kehrt zurück (2013) sein kann. Mit dem Biopic den Deepshit nochmal aus sich herausholen – das hat man auch in diesem Oscarjahr bei Reese Witherspoon mit The Trip – Wild gesehen –, muss nicht immer auch zu einer gelungenen Performance führen. Zumindest in der deutschen Fassung kommt die Leistung von Carell schon aufgrund der Synchronisation nicht ganz zum Tragen. Uwe Büschken spricht Carell nunmehr seit 2008 als feste Besetzung, kommt hier jedoch nicht über die Absurdität und Lächerlichkeit, die er in die Stimme von Carell alias du Pont legt, hinaus. Und auch Channing Tatum erscheint in der Synchronisation relativ eindimensional als stetig bräsiger Muskelberg. Dem englischen Trailer nach zu urteilen legen Tatum und Carell stimmlich ganz andere Akzente, und vor allem, aber eben nicht nur, bei Carell kommt es eben genau darauf an, da er ansonsten ein fast starres Minenspiel wirken lässt. Neben den „großen“ Nominierungen für die diesjährigen Oscars ist Foxcatcher auch für Maske und Frisuren nominiert, aber die angeklebten Nasen- und Blumenkohlohr-Kaspereien (und diese schreckliche Chucky-die Mörderpuppe 1990er Strähnchenfrisur von Tatum) können im Gegensatz zur Maske bei Guardians of the Galaxy nicht überzeugen.