Thomas Ladwig und Jana Zispe haben sich in Essen aufgemacht, Jonathan Safran Foers Debütroman Alles ist erleuchtet auf die Bühne zu bringen. Und das mit nur zwei Schreibtischen und einem Berg dazwischen als Kulisse!
von VERENA SCHÄTZLER
Alles ist erleuchtet ist auch die Geschichte der Brieffreundschaft zwischen Jonathan und Alex. So verwundert es nicht, dass die Kulisse im Casa Theater in Essen hauptsächlich aus den zwei Schreibtischen besteht, an denen beide Freunde sitzen, während sie die Briefe an den jeweils anderen schicken. Die Reise, auf der sie sich kennengelernt haben und um die sich die Briefe drehen, verläuft auf der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes um diese beiden Tische.
Ein literarischer Dreiklang
Jonathan Safran Foer (Jan Pröhl), ein amerikanischer Jude, reist in die Ukraine auf der Suche nach einer Familienlegende: Augustine (Janina Sachau), die seinem Großvater einst das Leben gerettet haben soll und somit heute der Grund dafür ist, dass er, Jonathan, „überhaupt existiere“. Alex (Nico Link) fährt zusammen mit seinem Großvater (Rezo Tschchikwischwili) nach Lutsk, um Jonathan zu treffen. Zusammen machen sie sich auf den Weg ins ukrainische Schtetl Trachimbrod. Von dieser Reise inspiriert, schreibt Jonathan im Anschluss einen Roman über seine eigene Version der Geschichte seiner Vorfahren. Nachdem Alex Jonathan als Dolmetscher zur Verfügung gestellt wurde und aufgrund seiner eher überschaubaren Sprachkenntnisse für einige Missverständnisse gesorgt hat, schreibt er seinerseits einen Bericht über das auf der Reise Erlebte. Beide Autoren stehen in der darauffolgenden Zeit im ständigen Briefwechsel. Sie schicken sich gegenseitig nicht nur Teile ihrer Manuskripte zu. Alex hält Jonathan darüber hinaus noch über die Neuigkeiten seiner Familie auf dem Laufenden.
Alles ist erleuchtet ist nicht nur die Geschichte zweier ungleicher Schreibender. Sie ist auch Zeugnis der Erinnerung an das ukrainische Schtetl Trachimbrod. Auf der abenteuerlichen Reise erfährt der Zuschauer Stück für Stück vom Schicksal seiner Bewohner, die im Zweiten Weltkrieg dem Genozid zum Opfer gefallen sind. Es ist dem jüdischem Humor im Stück und dem ständigen Wechsel der einzelnen Handlungsstränge zu verdanken, dass die Erzählung über das grauenvolle Schicksal der ukrainischen Juden immer wieder gebrochen wird. So wird auch das Geständnis des Großvaters am Schluss, auch er habe während des Genozids einen Juden getötet und sei somit mit dem Schicksal Jonathans Familie verbunden, etwas abgemildert. Trotz aller Komik wird der Holocaust dabei aber zu keinem Zeitpunkt verharmlost.
Überzeugende Schauspieler und Inszenierung
Es ist eine rasante und facettenreiche Komposition, die nur mit zwei Schreibtischen und einem Hügel dazwischen als Kulisse auskommt. Die nur fünf Darsteller wechseln so rasch die einzelnen Rollen und die Rolle des Erzählers, dass man glaubt, man sei wirklich auf einer turbulenten Fahrt durch die Ukraine, auch wenn man selbst auf dem Stuhl sitzt und die Schauspieler auf der Stelle oder im Kreis ‚fahren‘.
Janina Sachau springt mühelos zwischen ihren einzelnen Rollen – Brod, Augustine und das Zigeunermädchen – umher und verkörpert dabei sowohl die jungen Mädchen als auch die alte Frau überzeugend und fulminant. Gleiches lässt sich über den blonden und eher älteren Jan Pröhl sagen, der die Rolle des doch viel jüngeren Jonathan übernommen hat und diese hervorragend umsetzt.
Natürlich kann aufgrund der Komprimierung des Originaltextes nicht alles wiedergegeben werden, so bleiben zum Beispiel dem hundescheuen Jonathan die Avancen der läufigen Blindenhündin Sammy Davis Jr. in der Bühnenfassung erspart, und auch einige Zusammenhänge der komplexen Geschichte mit ihren drei Handlungssträngen können ohne Vorkenntnisse etwas unklar bleiben. Thomas Ladwig und Jana Zispe haben es aber dennoch geschafft, das im Zweiten Weltkrieg ausgelöschte Trachimbrod wieder aufleben zu lassen.