Zwei Männlein steh’n im Walde

Jan Soeken - Friends   Cover: avant-verlagGehen zwei Schwaben zum Ku-Klux-Klan Treffen in Baden-Württemberg. Nein, das ist nicht der Anfang eines grenzwertigen Witzes, sondern erwiesene Tatsache. 2012 wurde der Skandal aufgedeckt: Zwei schwäbische Polizisten hatten sich zur Mitgliedschaft in einem deutschen Ableger des US-amerikanischen RassistInnennetzwerkes hinreißen lassen. „European White Knights of the Ku-Klux-Klan“, abgekürzt EWK, nennt sich dessen kleiner, deutscher Bruder. Jan Soeken hat sich mit Friends nun einer Comic-Aufarbeitung dieses fragwürdigen Ereignisses angenommen.

von ANGELA GUTTNER

Laut Spiegel Online soll der Ku-Klux-Klan Ableger in Baden-Württemberg bis zu 20 spitzhütige Anhänger gezählt haben – unter ihnen auch zwei aktiv im Dienst stehende Polizisten. (Bonus: Besagter Artikel zitiert auch einen moralisch entrüsteten Pre-2014-Sebastian Edathy). Die beiden sollen sich, wie Jan Soeken im Interview erzählt, aber bald wieder vom Klan distanziert haben. Laut Protokoll sei man enttäuscht gewesen von der schlechten Organisation des Initiationsrituals – vor allem, weil man dorthin fix und fertig gestylt mit den viel zu heißen Klan-Kutten durch den Wald hatte wandern müssen. Jan Soekens Erzählung beschäftigt sich mit eben jener denkwürdigen Wanderung.

Ohne GPS zum Ku-Klux-Klan

Hermann und Thomas sind zum Initiationsritus des KKK im Wald unterwegs. Leider lässt die Wegbeschreibung zu ersehnter Veranstaltung zu wünschen übrig und auch das GPS hat man zu Hause vergessen: „Das ist aber auch nicht so gut organisiert vom Klan. Muss man schon sagen.“ Die Erwartungen an den Kennenlernabend sind groß. Vielleicht gibt es beim Klan ja auch Frauen. Bald kommt es, ob des beschwerlichen Weges und der heißen Kutten – „Sach ma, Hermann! Ist dir auch heiss? Ich find die Kutte super heiss. Ausserdem wird die hier noch ganz dreckig“ – zu Unstimmigkeiten zwischen den Freunden. Nicht lange und man trifft auf einen dreibeinigen, eine rätselhafte Bodenluke bewachenden Kampfhund: „Viel Auslauf hat der ja nicht. […] Ich find das nicht in Ordnung.“ Der weichherzige Thomas schleudert seine Klan-Haube im Streit darüber, ob man den einsamen Hund versorgen müsse oder zurücklassen solle, in dessen Gehege. Der zum Klan-Treffen drängende Hermann vergiftet den aggressiven Hund daraufhin ohne Thomas’ Wissen, um dessen Haube gefahrlos aus dem Hundezwinger bergen zu können. Als Thomas die List des Freundes auf fortgeschrittenem Wege aufdeckt, kommt es zum Zerwürfnis. Thomas eilt zur heldenhaften Rettung des Hundes. Dieser erfreut sich aber mittlerweile wieder bester Gesundheit und attackiert den edlen Helfer. Die Schlussszene zeigt einen vom Kampfhund bezwungenen Thomas und einen reuigen Hermann, der seinem Freund eine Entschuldigung auf die Mailbox spricht: „Weiss auch nicht…Hat alles nicht so geklappt, wie wir wollten…War aber doch trotzdem irgendwie ein cooler Trip…oder nicht?!“

Dokumentation trifft auf Fiktion

Inwiefern Friends die tatsächlichen Begebenheiten der schwäbischen KKK-Affäre widerspiegelt ist, schnell beantwortet: allerhöchstens peripher. Mit seinen zwei lächerlich anmutenden Hauptfiguren verlässt Soeken die Weiten des dokumentarischen Comics zugunsten der Untiefen literarischer Fiktion. Der Ku-Klux-Klan als rassistische Vereinigung wird, abgesehen von der Thematisierung organisatorischer Inkompetenzen, aus der Erzählung ausgeklammert. Jan Soekens Männlein im Walde sind, zumindest oberflächlich betrachtet, die personifizierte Banalität des Bösen: Zwei gutgläubige, kompromissbereite Freunde, die sich um einsame Tiere und das gegenseitige Seelenwohl kümmern. Er bedient sich hier eines zunehmend populären Zeichenstils, der sich wohl vorsichtig mit „Könnte mein kleiner Neffe auch“ umschreiben ließe. Mit Bleistift auf schwarzem Grund festgehalten tummeln sich schlichte Figuren ohne Hände, die dem klassischen Strichmännchen höchstens einen zeichnerisch-evolutionären Schritt voraus zu sein scheinen. Dass ein reduzierter Zeichenstil aber nicht notwendig auf fehlende Ernsthaftigkeit in der Diegese schließen lässt, haben Könnerinnen wie Ulli Lust oder Aisha Franz längst bewiesen. So erfüllt dieser auch bei Friends dramaturgische Funktion.

Schlichtheit ist Trumpf

Gerade weil Jan Soeken sich für das Schlichte als durchgängigen Stil entscheidet, dafür dass seine Figuren einfältige Aussagen über die Schönheit des Waldes kundtun, anstatt blutrünstige Hassparolen zu schmettern, erweist er sich als großer Comicerzähler. Indem die Botschaft der Textebene (= Wir sind nette Männlein) in ihrer Flapsigkeit die Botschaft der Bildebene (= Wir sind eine international organisierte Gruppe von VerbrecherInnen) hinterfragt, kommt es zu einer erzählerischen Inkongruenz, die wiederum Grundvoraussetzung der satirischen Darstellung ist.

Über den Ku-Klux-Klan lustig machen kann sich dank Soekens Darstellung nun auch die Leserin. Durch den oberflächlich fehlenden dokumentarischen Anspruch stehen keine moralischen Verpflichtungen im Wege, den Rassismus in vollen Zügen auszulachen. Neben dem Einsatz eines die Absurdität des Geschehens widerspiegelnden Zeichenstils sowie der erfolgreich umgesetzten Disparität von Bild-und Textebene, gelingt Soeken sein eigentlicher Kunstgriff aber in der Psychologisierung seiner Figuren. Der tatsächliche Horror der Erzählung spielt sich nämlich in der Anonymisierung Hermanns ab. Soeken inszeniert diesen Charakter in krassem Kontrast zur Figur des als gut- und offenherzig festgelegten Thomas. Es liegt nun an der Leserin, die Amplitude zwischen der Figur des personifizierten Guten und dem des fiktiven Bösen interpretativ zu vervollständigen. Wer ist eigentlich „Hermann“, und befindet sich so jemand in meinem unmittelbaren Umfeld? Stehe ich vielleicht sogar in regem Kontakt mit „einem Hermann“? Lauert das Böse womöglich gar nicht mit roten Augen und gefletschten Zähnen hinter der nächsten Häuserecke, sondern verkauft unserem Neffen höflich lächelnd Fingerfarben? Auf subtile Weise gelingt es Jan Soeken hier, die Rassismus-Thematik, ohne diese jemals explizit zu thematisieren, über die Buchdeckel hinaus in unsere jeweiligen Wohnzimmer zu tragen.

Sigmund freu(d)ts

Man müsste wohl mehr als die Spitze des Eisbergs freudianischer Theoriebildung kennen, um den Symbolismus des die mysteriöse Falltür bewachenden dreibeinigen Hundes gänzlich auszudeuten. Weil aber dieses Bild in der Erzählung so präsent (und Doktor Freud bekanntlich ein großer Hundefreund gewesen) ist, wagen wir einen Interpretationsversuch: Als der Hund Thomas angreift, attackiert er zuerst dessen Arm, was wiederum auf die fehlende Vorderpfote des Tieres selbst hindeutet. Die Zeichenweise der Hundeaugen verweist wiederum in auffälliger Weise auf die Sichtöffnungen der Ku-Klux-Klan-Kappen der beiden Männlein. Werden wir da etwa mit dem „Kreislauf des Bösen“ konfrontiert? Soeken zitiert außerdem in den Buch-Innendeckeln zusätzlich das, vom Hundezwinger bekannte, Gittermuster. Ergo: Wir LeserInnen sitzen mit im Käfig. – Mist!

Der Ku-Klux-Klan in Baden Württemberg: Das hätten sich die Schwaben auch noch sparen können – Jan Soeken sich diesen Comic aber nicht. 48 Seiten Schmunzeln auf (fast) höchstem Niveau.

 

Jan Soeken: Friends
avant-verlag, 48 Seiten
Preis: 10,00 Euro
ISBN: 978-3-945034-14-9

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