Der Roman The Driftless Area von Tom Drury, bereits 2006 in den USA erschienen, hat viel zu bieten – der Plot steigert sich vom Alltagsdrama zur philosophisch-phantastischen Zeitreflexion, die Sprache ist lakonisch und messerscharf, es entsteht ein neuer Blick auf das sonst nicht für besondere Unheimlichkeit bekannte Iowa. Weniger gelungen ist die deutsche Übersetzung Das stille Land, die jüngst bei Klett-Cotta publiziert wurde.
von LINA BRÜNIG
Eigentlich müsste diese Rezension darüber informieren, dass das Original des Buches nach einer Region im amerikanischen Mittleren Westen benannt ist, die in diversen Eiszeiten unbehelligt blieb, was Geologen an der Abwesenheit von Gletschergeröll (drift) erkennen. Stattdessen weist die driftless area eine von großen Höhenunterschieden geprägte, einzigartige Topographie auf. Die Besprechung müsste außerdem unterstreichen, wie raffiniert Drury den Plot um den jungen College-Absolventen Pierre Hunter spinnt, der sich als Bartender verdingt. Wie der Roman als lakonische slacker novel beginnt, sich mit dem Auftauchen der Femme fatale Stella Rosmarin eine schräge Liebesgeschichte entwickelt, nebenbei ein liebevoll-skurriles Porträt einer US-Kleinstadt gezeichnet wird und über allem ein Hauch von mystery hängt. Wie subtil die Handlung ins Phantastische kippt und dabei doch nicht die Bodenhaftung verliert.
Ablenkende Übersetzung
Der Grund für diesen Konjunktiv? Die deutsche Übersetzung planiert alle sprachliche Eigenheit des Romans und beraubt ihn damit seines eigentümlichen Zaubers. Besonders ärgerlich: Es handelt sich nicht um irgendeinen Autor. Tom Drury ist der ebenso stille und bescheidene wie erfolgreiche Chronist des Mittleren Westens. Schon sein erster Roman The End of Vandalism (1994) wurde von amerikanischen Kritikern mit Werken William Faulkners verglichen. Auch Klett-Cotta vermarktet Drury als „modernen Klassiker“ – und wird ihm dann leider weder mit der Übersetzung noch mit der Lektoratsarbeit gerecht. Das fängt bei falschen Angaben zum Autor Drury auf dem Umschlag an, geht über Rechtschreibfehler hin zu teilweise sinnentstellenden Übertragungen ins Deutsche. Den (namhaften) Übersetzern Gerhard Falkner und Nora Matocza geht offenbar jedes Gefühl für den Ton des Romans ab. Sie vereindeutigen, wo die Sprache im Original subtil schwebt und fügen hinzu, wo Drurys Duktus so karg und kühl ist wie das winterliche Iowa.
Einige Beispiele:
Das lakonische Original wird oftmals unter einer aufgeblasenen Übersetzung begraben, wenn zum Beispiel die Aussage It’s all about singing and transportation as far as I can tell mit „Es ist weiter nicht als ein ewiger Singsang und ein Herumgereite, soweit ich das beurteilen kann“ übersetzt wird. Man kann sich zudem fragen, warum in der Übersetzung Wortspiele hinzugefügt werden, die das Original nicht hergibt: We try to find a plan in operation, and when we don’t find one, we make it up wird zu „Wir versuchen eine schicksalhafte Fügung zu erkennen, und wenn wir die nicht finden, dann erfinden wir sie eben.“ Das ist unnötig und nicht einmal originell. Und warum duldet das Lektorat Wortwiederholungen, die nicht im Original stehen, und dem Text einen unbeholfenen Tonfall aufdrücken? „You left your skates.“ (…) „Oh that’s right. I’d forgotten all about them“ wird tatsächlich zu „Du hast deine Schlittschuhe vergessen.“ (…) „Ach ja, stimmt. Die hab ich total vergessen.“
Noch abenteuerlicher wird es, wenn die Übersetzer den Überblick über die Kontexte verlieren. Wenn es etwa heißt, dass Pierre eines Nachts zu Stella „ging“ und einen Satz später „den Motor“ abschaltet – weil den Übersetzern für die Verbform „went“ nur die naheliegendste Übertragungsmöglichkeit eingefallen ist.
Auch andere Hinzufügungen passen nicht in den Verlauf der Geschichte: So bemerkt Stella in der Übersetzung beim zweiten Treffen über Pierre wie über einen alten Bekannten: „Komische Ideen hast du manchmal“, während sie im Original ein simples „What strange ideas you have“ äußert. Auch in Details wird das straighte Original zu oft in behäbiges Deutsch verwandelt: So nennt Pierre ein Entzugsprogramm, zu dem er gerichtlich verurteilt wurde spöttisch beerschool, die dann umständlich zur „Anti-Alkoholiker-Schule“ wird.
Tom Drury ist ohne Zweifel der Beschäftigung wert – in diesem Fall sollte man aber unbedingt zur Originalausgabe greifen. Bleibt zu hoffen, dass Klett-Cotta bei weiteren Versuchen, ihn dem deutschen Lesepublikum zugänglich zu machen, mehr Sorgfalt an den Tag legt.
Tom Drury: Das stille Land
Aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza
Klett-Cotta, 215 Seiten
Preis: 19,95 Euro
Komische Übersetzungen haben die manchmal.