Wär’ doch alles Gold, was glänzt

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Sisters of Swing – Düsseldorfer Schauspielhaus Foto: Sebastian Hoppe

Auch die zweite Düsseldorfer Premiere der Saison 2015/16 (nach Königsallee am 29. August) Sisters of Swing lässt sich weder brisantem Polittheater noch wuchtigem Tragödienstoff zuordnen. Vielmehr bezirzen drei junge Ensembledamen das Publikum als swingende Andrews Sisters. Schauspielfreunde gehen beinah leer aus.

von HELGE KREISKÖTHER

Bekannt wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Duke Ellington & Co. sind sie vielleicht nicht, doch gehören LaVerne Sofie, Maxene Angelyn und Patty Marie Andrews zweifellos zu den herausragenden Persönlichkeiten der Jazzgeschichte. Mit Hits wie Bei mir bistu shein (1938), dem Boogie Woogie Bugle Boy (1941) oder Rum and Coca-Cola (1944) sicherten sie sich einen Platz in den swingenden Annalen des 20. Jahrhunderts.

Die drei Schwestern – geboren 1911, 1916 und 1918 als Töchter eines griechischen Vaters und einer norwegischen Mutter – schenken sich nichts. Die ganze mühsame Karriereleiter erklimmen sie zusammen, beißen sich durch und geben allseits die „netten Mädels von nebenan“. Doch hinter der Fassade toben etliche Zickenkriege und Eifersüchteleien. LaVerne ist eindeutig die dominanteste, bevormundend, augenscheinlich prüde; Maxene Angelyn, die zweitjüngste, wirkt naiv-schwärmerisch; Patty dagegen präsentiert sich egozentrisch und unverblümt männer- bzw. pianistenbesessen.

Nach Coverversionen und dem ersten durchschlagenden Erfolg mit Bei mir bistu shein (Coverversion einer jiddischen Musicalnummer) werden sie von Decca Records unter Vertrag genommen, kommen nach New York und bringen es im Laufe der Jahre auf neun Goldene Schalplatten und einmal Platin. Während des Zweiten Weltkriegs singen sie, wie viele andere US-amerikanische Künstler, für die GIs und werden zu „America’s Wartime Sweethearts“ erhoben. In den 1950er Jahren gehen sie schließlich auseinander und finden nur für ein kurzzeitiges Comeback zurück auf die Bühne.

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Sisters of Swing – Düsseldorfer Schauspielhaus Foto: Sebastian Hoppe

Musikalische Fallhöhen

Das Kleine Haus in Düsseldorf ist festlich herausgeputzt an diesem Abend, die Bühne mit dunkelrot schimmernden Vorhängen verhüllt. Zunächst nimmt Patty (Katrin Hauptmann) Publikumskontakt auf, bevor alle drei Andrew Sisters (weiterhin Anna Kubin als LaVerne und Klara Deutschmann als Maxene Angelyn) munter drauflos erzählen, wie es kam, dass alles wurde, wie es ist. Ihr unentwegter schauspielerischer Begleiter durch Höhen und Tiefen ist Thiemo Schwarz, der mal als androgyner Conférencier, mal als verrucht-verrauchter Produzent Lou auftritt und vor allem tänzerisch Freude bereitet.

Im Hintergrund des glanzvollen Bühnenbildes (Ausstattung: Florian Parbs; Lichtdesign: Christian Schmidt) findet sich ein Jazztrio, bestehend aus Lars Duppler alias „Larry“ am Klavier, Nico Brandenburg am Bass und Peter Weiss am Schlagzeug – allesamt bewundernswert, wobei die rhythmischen Vorgaben und lässigen Glissandi des ersteren besonderes Lob verdienen. Doch wie sieht es mit dem stimmlichen Auftritt der Schauspielerinnen aus? Ein Stück mit dem Titel Sisters of Swing schürt schließlich gewisse musikalische Erwartungen …

Die Ohren muss sich in den 1½ Stunden niemand zuhalten: Alles klingt soweit harmonisch, mitunter fetzig, keineswegs verloren in überzogener Nachahmung der historischen Vorbilder. Gesangliche Differenzen gibt es aber dennoch: Während Anna Kubins Sopran (zu) virtuos trällert und Katrin Hauptmann besonders in ihren melancholischen Parts zu glänzen weiß, hinkt Klara Deutschmann stimmlich deutlich hinterher. Im Terzett klingen die Lieder teilweise unausgewogen, manchmal fehlt ihnen etwas die Balance – dies wird sich mit zunehmender Aufführungspraxis aber sicherlich einpendeln. In Sachen Charme und reizvoller Gestik überzeugen die Darstellerinnen indes ausnahmslos, die Kostüme (von schlichter Bluse über Karnevalskleider bis hin zu Armeeuniformen und türkiser Galagarderobe) tun ihr Übriges.

Hilfe, Dramaturg gesucht

Dass die Konzentration der Schauspieler gegen Ende immer weiter abnimmt und die finalen Songs das Ohr nicht mehr derartig reizen können wie über die erste halbe Stunde, ist der mangelnden Dramaturgie der Inszenierung geschuldet. Spätestens seit Peter Shaffers Amadeus (1979) und seiner kongenialen Verfilmung durch Miloš Forman weiß man, dass die theatralische Auseinandersetzung mit unikalen Musikerfiguren Werk und Lebensweg halbwegs ausgewogen miteinbeziehen sollte. Hier werden jedoch dutzende Lieder der Andrew Sisters präsentiert und potenziell spannungsreiche Stationen der Biografie(n) zugunsten einzelner Anekdötchen ausgeklammert. Zwar laufen im Hintergrund Videoeinspielungen (Projektionen: Philipp Contag-Lada) von New York, amerikanischen Bombern und der Atombombe auf Hiroshima, was bewusst einen perversen Kontrast zur heiteren Durchhaltemusik schafft. Genauere Hintergründe für die Spannungen zwischen den Mädchen und tiefere Einblicke in ihre zwischenmenschlichen Erfahrungen z. B. hätten den Abend jedoch um einiges bereichert. In diesem Zusammenhang überrascht es kaum, dass sich im Programmheft kein Dramaturg findet, der für eine gewisse Ausgewogenheit hätte sorgen können. Lediglich unter „Dramaturgieassistenz“ ist ein Name vermerkt (Katharina Ohk), das Konzept scheint sich also vollkommen auf Dirk Diekmanns Regie zu gründen. Was ihm als Genre wohl vorschwebte? Vielleicht eine Art Hommage-Musical. Neben allerlei jazzigen Köstlichkeiten bleibt die Frage, was ausgerechnet das Leben der Andrews Sisters so erzählenswert macht.

Informationen zum Stück

Nächste Vorstellungen:
Mittwoch, der 9. September
Dienstag, der 15. September
Montag, der 21. September

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