Alissa Walser legt mit Von den Tieren im Notieren eine Sammlung von Prosaminiaturen vor, die vor allem um sie selbst und ihre Tätigkeit als bildende Künstlerin, Schriftstellerin und Übersetzerin kreisen. Das kann zwar nicht immer überzeugen, ist dank einzelner Highlights aber dennoch lesenswert.
von KATJA PAPIOREK
„Publikum liebt Einblick in Romanfabrik.“ – das weiß auch Alissa Walser, also erzählt sie von ihrer ganz persönlichen Textwerkstatt. So berichtet sie etwa von ihren bevorzugten (Schreib)Räumen, geduldeten Haustieren, dem Ich und dem Anderen, von Notizbüchern und Notebooks. Es geht um falsche Anfänge, ihren ganz persönlichen Weg von der Malerei zum Schreiben, um Interpretationsprobleme, das Schreiben als Übersetzungsarbeit oder den Ursprung ihres Romans Am Anfang war die Nacht Musik und anderer Prosatexte wie Dies ist nicht meine ganze Geschichte. Zuweilen wirken die kurzen Texte wie flüchtig auf das Blatt geworfene Zeichnungen. Dabei lässt sich in der Zusammenstellung der einzelnen Texte nicht immer ein roter Faden erkennen. Fast entsteht der Eindruck, man halte die gebundene Version von Alissa Walsers Zettelkasten in den Händen, „dieses Zuhause für alles, woran ich je hängen geblieben bin. Kleine und größere Blitze. Überbelichtetes und Unterbelichtetes. Wörter, Sätze, Bilder, flüchtig notiert, irgendwann irgendwo herausgerissen, sich allen kausalen Ordnungsmustern widersetzend.“
Die Magie des Jetzt
Aber dann kommt er eben doch, der „mesmerizing moment“. Besonders stark ist Walser nämlich, wenn sie die Werke anderer ins Zentrum ihrer Miniaturen setzt und dabei von ihren Lektüreerfahrungen und -eindrücken berichtet (Pat Barker, Sandra Hoffmann, Sylvia Plath) oder zu einer Lobrede auf den Maler und Fotografen Matthias Holländer (Weite, die man zu überblicken scheint) ansetzt. Gerne hätte sie auch das von ihr konstatierte Kommunikationspotential von Text-Bild-Kombinationen und die Idee der „wahrnehmenden Wahrnehmung“ weiter ausführen können (Über meine Arbeit). Absolutes Highlight ist aber die Bildbeschreibung in Tagebuchform (Auf den zweiten Blick) zu Christian Friedrich Gilles Das pure Jetzt, die nicht nur minutiös ihre eigene Entstehung reflektiert, sondern in ihren pointierten Beobachtungen bisweilen an Roland Barthes studium und punctum erinnert.
So mag der Einblick in die Werkstatt der Künstlerin zwar nicht immer das halten, was er zu versprechen schien. Doch Alissa Walser entgeht glücklicherweise der Versuchung der reinen Selbstbespiegelung und sorgt mit der Übersetzung ihrer persönlichen Rezeptionseindrücke in die vorliegenden Prosastücke durchaus für erhellende Momente. Vermutlich geben diese auch mehr über ihre Arbeitsweise preis als ein detaillierter Bericht aus der Romanfabrik.