Diana Kinnert entwickelt in Für die Zukunft seh´ ich schwarz die Idee eines modernen Konservatismus. Dabei geht es der Autorin nicht um Werbung für ihre Partei, die CDU. Vielmehr fordert sie in ihrem Plädoyer eine gesellschaftliche Grundhaltung der Innovation und Liberalität – und ermuntert zum Einstieg in die politische Debatte.
von ANNA BREIDENBACH
Diana Kinnert besitzt weder ein politisches Mandat, noch übt sie ein anderes Amt innerhalb der CDU aus. Im ersten Teil ihres Buches beschreibt sie sich als aktiver und interessierter Eindringling in die politische Welt bzw. ihren Werdegang dahin, der sie bereits in die wichtigen politischen Zentren geführt hat. Sie erzählt von der Zwangskonfrontation mit sozialen Problemen durch die Schwebebahn in Wuppertal und ihrer ersten politischen Kampagne für das Zustandekommen eines Leistungskurses. Auf den Einfluss ihres eigenen familiären Hintergrundes, der Migrationsgeschichten aus Schlesien und Asien beinhaltet, führt sie ihre liberale Einstellung zu einer Leitkultur zurück, die aus Liberalität und einem Bekenntnis zur Diversität bestehen sollte.
Wie die Generation Y den Parteien zugeführt werden soll
Kinnert widerlegt beispielhaft die gesellschaftliche Ansicht, die Generation Y konsumiere faul eine bereits vorgekaute politische Ordnung. Im Gegenteil konstatiert die 26-Jährige, dass ihre Generation sich im Rahmen von Happenings und Onlinepetitionen für alle möglichen Bereiche engagiert. Jedoch fängt für die Autorin politische Verantwortung erst mit dem Einsatz für eine bestimmte Partei an. Sie fordert eine Annäherung von Parteien und Gesellschaft. Ihrer Meinung nach schließt die Identifikation mit einer Geisteshaltung einen Beitritt in eine Partei nicht aus. Der Mensch muss nur den Mut besitzen, seine Vorstellungen im Rahmen der Partei geltend zu machen. So fordert sie ein neues Vertrauen in die Parteien und gleichzeitig eine Öffnung der Parteien für die veränderten politischen Bedürfnisse der neuen Generation. Ihre eigene Wahl legt Diana Kinnert begründet offen. Gerade die Heterogenität der Ansichten innerhalb der CDU, die als Volkspartei möglichst viele Interessen abdecken will, empfindet sie als potenziellen Nährboden für innovative Entwicklungen. Schon 2009 griff Diana Kinnert in diesen offenen und lebendigen Kurs ein, indem sie für die Modernisierung der Partei eintrat. Mit dem Ziel, junge Leute für die Partei zu engagieren, bemühte sie sich um flexiblere Strukturen. Zunächst arbeitete sie für die Konrad-Adenauer-Stiftung, dann für die Reformkommission für Peter Tauber. So bekamen ihre Ideen einen größeren Wirkungsgrad.
Tagespolitik zwischen Partei und Individuum
Der zweite Teil ihres Buches dreht sich weniger um ihre persönliche Karriere als vielmehr um ihre Ansichten zu politischen Tagesthemen. Diese setzt sie stets in den Kontext der CDU-Positionen und zeigt an vielen Stellen moderne Gegenpositionen auf. Dabei denkt sie durchaus innovativ, doch ihre Vorschläge sind niemals revolutionär. Vieles lässt sich mit dem althergebrachten christlich-demokratischen Auftritt vereinbaren. Sie thematisiert die Probleme einer modernisierenden, verändernden Arbeitswelt. Internationales Engagement und das gesellschaftliche Bewusstsein eines Weltbürgertums ist ihr im Kontext der Flüchtlingskrise wichtig. Sie positioniert sich für eine Ehe für alle, eine Haltung, die sich in der Tagespolitik der CDU aktuell durchgesetzt hat. Außerdem plädiert sie für einen offenen Dialog mit Europakritikern. Dieser sei wichtig, um Schwachstellen Europas zu identifizieren und reformatorisch zu beheben. Generell ist sie für eine Öffnung des politischen Dialogs und warnt vor einer Tabuisierung der politischen Debatte, in der sachlicher Kritik ein Maulkorb umgebunden würde. In allen Fragen steht für sie der individuelle Mensch im Mittelpunkt, der auch in der Gemeinschaft und in der politischen Debatte als Individuum angesehen werden muss und dem alle Möglichkeiten zur freien Gestaltung geboten werden sollten, ohne ihn in eine Form zu pressen.
Dabei bedient sie sich einer offenen und direkten Sprache, in der nicht die Kunst, sondern der Wille zur Deutlichkeit Regie führt. Sie versteckt sich nicht hinter Unsicherheiten und Abwägungen und bedient sich eines natürlichen enthusiastischen Tons. Durch ihr eigenes Beispiel motiviert sie zu politischem Engagement, der Stil ihrer Argumentation ist jedoch literarisch wenig ausgefeilt. Auf ein konkretes und meist interessantes Beispiel aus ihren eigenen Erfahrungen folgt stets eine Analyse tagespolitischer Probleme, der eine eigene Stellungnahme und Forderung hintangestellt wird. Diese permanent wiederkehrende Struktur wirkt eher lehrbuchmäßig und passt nicht zum innovativen Anspruch ihrer Aufforderung. Viele Argumente werden durch Studienergebnisse belegt. Dadurch scheint sie den Gehalt ihrer eigenen Argumente infrage zu stellen, da sie offenbar nicht für sich sprechen können.
Definition einer neuen politischen Grundhaltung
Zum Schluss fügt Diana Kinnert ihre einzelnen Ansichten zu einer Definition ihrer politischen Grundhaltung zusammen, die sie einen modernen Konservatismus nennt. Diese Grundhaltung ist die eines differenziert und liberal denkenden Menschen, der alte Werte behutsam in neue Gegebenheiten überführt. Konservatismus ist für Diana Kinnert Liberalismus. Ihm fühlt sie sich eher als einer Partei verpflichtet. Für sie ist es Aufgabe der Partei, sich an einer Grundhaltung zu orientieren. Ein politisch aktiver Bürger wiederum sollte sich einer Partei verpflichten, um diese Grundhaltung in der Partei geltend zu machen. So appelliert sie an eine neue politische Generation, den Mut zu haben, überkommene Strukturen zu modernisieren und alte Wertemuster neuen Gegebenheiten anzupassen. Ihr Beispiel als politisch aktives Gesellschaftsmitglied, das sich authentisch für eine moderne politische Grundhaltung einsetzt, überzeugt. So verpasst sie dem mit negativen Vorurteilen behafteten Bild des Konservatismus einen deutlichen Attraktivitäts-Boost.
Diana Kinnert: Für die Zukunft seh´ ich schwarz
Rowohlt Taschenbuch, 201 Seiten
Preis: 9,99 Euro
ISBN: 978-3-499-63237-2
Mit der Einstellung kann man allerdings in fast jede Partei eintreten.