Von Streichholzschachteln und wenigen Worten: Lütfiye Güzels sans trophée

 

Lütfiye Güzel: sans trophée. 24 gedichte; Cover: go-güzel-publishing

Mit 24 Gedichten in der Streichholzschachtel zeigt sich Lütfiye Güzel einmal mehr als Virtuosin des Einfachen.

von LARS BANHOLD

In Jim Jarmuschs Film Paterson schreibt der gleichnamige Busfahrer (gespielt von Adam Driver) in der ebenfalls gleichnamigen Stadt während der Arbeit kurze, aber prägnante Gedichte. Zu den Schönsten zählt dabei das Liebesgedicht „Love Poem“, zu dem ihn eine Streichholzschachtel inspiriert. „Love Poem“ kann die Art verändern, wie man Streichholzschachteln sieht. Denn grundsätzlich besitzen Streichholzschachteln die Poesie eigentlich alltäglicher Gegenstände, denen ihre Alltäglichkeit abhandenkommt. Für Öfen, Kerzen und auch zum Rauchen benötigt man immer seltener Feuer. Und wenn doch, sind Feuerzeuge, die schon lange kaum teurer sind als Zündhölzer, die praktischere Alternative. Entsprechend sind Streichholzschachteln vermeintlich alltäglich, aber aus dem Alltag schon weitgehend verschwunden. Erinnerungsstücke an eine Vergangenheit, die aber auch nicht ganz vergangen ist. Es ist vorstellbar, in einem umfassenden Essay, ähnlich Walter Benjamins Passagen, eine ganze Epoche anhand der Streichholzschachtel zu verdeutlichen.

Oder man kann es lassen und die Streichholzschachtel stattdessen direkt in die Hände der Leser*innen geben. Mit sans trophée tut Lütfiye Güzel genau das, legt zwei Zettel mit insgesamt 24 Gedichten hinein und gibt dem Publikum schon vor dem Lesen genug zum Sehen, Anfassen und Nachdenken. Die Idee, ihre Gedichte nicht in Buchform zu veröffentlichen, ist bei Güzel nicht neu. In den letzten zwei Jahren hat Sie Gedichte in Butterbrottüten verpackt (elle-rebelle), auf Aufkleber gedruckt (selfklebend) und als Zeitungskollage gefaltet (süperdepresyon).

Die Verpackung der Gedichte in einer Streichholzschachtel ist aber nicht nur ein Gimmick. Vielmehr spiegeln die Gedichte die Poesie der Streichholzschachtel wider: klein, nur scheinbar alltäglich, auf den ersten Blick simpel. Aber einmal bewusst betrachtet, bricht eine ganze Welt hervor – oder in sich zusammen. Lütfiye Güzel hat mehrfach bewiesen, dass sie wie kaum eine Zweite mit ihrer verknappten Sprache den Leser*innen selbige verschlagen kann. Die Gedichte in sans trophée erscheinen dabei noch einmal reduzierter als die Texte früherer Publikationen, bis jedes Wort für sich wie eine eigene Strophe wirkt oder auch der Titel eines Gedichts „das ist auch der titel“ ist. Diese Fähigkeit, mit einfacher Sprache dem Alltäglichsten eine neue, teilweise furchtbare, manchmal auf den zweiten Blick aber auch komische Bedeutung zu verleihen, erinnert an die New York School – zu denen wiederum Ron Padgett zählt, der die Gedichte für Paterson verfasst hat.

Wovon sich manch ein*e Lyriker*in eine Scheibe abschneiden kann, ist die eindeutige und nicht plakative Haltung der Gedichte, die sich nicht in emotionaler Nabelschau verlieren, sondern keine Angst vor einer politischen Positionierung haben. Wenn in „rosa elefanten“ zehn Wörter reichen, die politische Lage klar zusammenzufassen, gibt es kaum ein besseres Fazit als „mein größter fehler / war jammern“.

Lütfiye Güzel: sans trophée. 24 Gedichte

go-güzel-publishing, https://luetfiye-guezel.tumblr.com/

Preis: 5,00 Euro

bestellbar über lguezel@yahoo.de

2 Gedanken zu „Von Streichholzschachteln und wenigen Worten: Lütfiye Güzels sans trophée

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