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In der Corona-Krise wird dazu geraten, soziale Kontakte möglichst gering zu halten. Im zweiten Teil unserer Bücherempfehlung in diesen herausfordernden Zeiten möchten wir Ihnen einige Bücher ans Herz legen, in denen die Protagonisten sich gewissermaßen in einer ähnlichen Situation wiederfinden und sich auch eine freiwillige Quarantäne auferlegen.
von ALINA WOLSKI
Weiße Nächte. Eine Liebesgeschichte – Fjodor Dostojewski

Fjodor Dostojewski: Weiße Nächte, Suhrkamp/ Insel
Sankt Petersburg war für Fjodor Dostojewski eine Schicksalsstadt. Es war der Dreh- und Angelpunkt seines turbulenten Lebens. Und doch begeisterte es ihn nicht; Sankt Petersburg sei hässlich und verflucht. Weiße Nächte ist eines der wenigen Werke, in dem er die Stadt nicht als grundsätzlich verachtenswert darstellt. Die Novelle spielt sich im Hochsommer ab, zu der Zeit der weißen Nächte, da die Sonne nicht untergeht. Der Protagonist ist ein in seine eigene Welt zurückgezogener Träumer. Aus dieser freiwilligen Isolation entkommt er schließlich – zumindest auf kurze Zeit – dank einer zufälligen Bekanntschaft. Die kommenden Abende sind durch Spaziergänge – kleine Hoffnungsschimmer – mit Nastenka über die Kanäle Sankt Petersburgs geprägt, bis doch alles anders kommt… Etwas kitschig und klischeehaft – und dennoch aufgrund der Gefühlswelt des vereinsamten, aber doch hoffnungsvollen Protagonisten ist Weiße Nächte eine Novelle, die die Situation der Selbstisolierung aus psychologischer Sicht beleuchtet und bereichert.
Fjodor Dostojewski: Weiße Nächte. Eine Liebesgeschichte
Suhrkamp, 109 Seiten
Preis: 6,00 Euro
ISBN: 978-3-458-36205-0
Walden. Ein Leben mit der Natur – Henry David Thoreau

Henry David Thoreau: Walden. Ein Leben mit der Natur, dtv
1845 zog Thoreau in eine Blockhütte inmitten der Wildnis von Massachusetts, um dem Alltag zu entkommen. Auf der Basis seiner Tagebucheinträge entstand schließlich Walden. Neben dem Leben in der Natur beschreibt der Autor die Auswirkungen dieser freiwilligen Isolation auf sein Wohlbefinden, seine Strategien im Umgang mit der Einsamkeit und seine Überlegungen über die Welt. Dieser „Isolationsbericht“ inspiriert bis heute Schriftsteller, sich in die Abgelegenheit zurückzuziehen, um der beschleunigten Welt zu entkommen – so beispielsweise auch den französischen Schriftsteller und Philosophen Sylvain Tesson. Dieser zog nach Thoreaus Vorbild in eine Blockhütte an den Baikalsee, wo er fast ein Jahr in Abgeschiedenheit verbrachte. Seine Gedanken veröffentlichte er in Dans les forêts de Sibérie (In den Wäldern Sibiriens). Beide Werke analysieren die Reaktionen der Psyche auf eine selbstverordnete Isolation und bieten dem Leser nebenher noch Abenteuerbeschreibungen aus der Wildnis: Reisebeschreibungen, die heute aktueller sind denn je zuvor.
Henry David Thoreau: Walden. Ein Leben mit der Natur
Dtv, 368 Seiten
Preis: 10,90 Euro
ISBN 978-3-423-12684-7
Oblomow – Iwan Gontscharow

Iwan Gontscharow: Oblomow, dtv
Oblomow ist faul. Den gesamten Romanverlauf versucht er sich zu motivieren, seine Untätigkeit abzulegen und den üblichen Geschäften in seinem Leben nachzugehen. Doch das stellt sich schwieriger heraus als erwartet. Oblomow bieten sich Gelegenheiten, sein Schicksal zum Guten zu wenden, Auslandsreisen zu unternehmen, eine amouröse Beziehung zu beginnen – doch die Lethargie steht ihm stets im Wege. Inzwischen ist „oblomowschtschina“ – Oblomowerei – sogar ein Begriff, der Einzug in die russische Sprache gefunden hat. In Zeiten des Kontaktverbots, in denen man sich schnell dabei erwischt, zu einem kleinen Oblomow zu mutieren, ist Ivan Gontscharows Roman eine amüsante, aber zugleich auch zum Nachdenken anregende Lektüre, in der die Seele und vor allem der Humor der russischen Literatur mitschwingt.
Iwan Gontscharow: Oblomow
Dtv, 848 Seiten
Preis: 16,90 Euro
ISBN: ISBN 978-3-423-14279-3
Das nächste Mal folgt Teil drei der Reihe: Erzwungene Isolation.
Hier geht es zu Teil eins: Von Krankheiten.
Darüber hinaus möchten wir auf die Reihe Lesen in der Corona-Krise des Blogs literaturkritik.de hinweisen.
Apropos: gute frage, ist “faul” eigentlich nahezu deckungsleich zu “lethargisch”? Bedingt das eine gar das andere, das andere das eine? Noch nie drüber nachgedacht….kam nur drauf, weil ich euch nach den ersten Worten von euch zum Oblomow schon was Geharnischtes dalassen wollte, Marke “DER IST NICHT FAUL, DER IST LETHARGISCH”…aber dann kam das Wort ja auch noch;-)
Oblomow ist mehr oder minder mein Lieblingsbuch. Den Walden fand ich enttäuschend, den – diesen – Dostojewski – kenne ich noch nicht, schwupp: auf der Kaufliste.
Viele Grüße,
David Wonschewski
Vielen Dank für die Rückmeldung! Das ist eine sehr gute Frage, die ich mir vorher auch nicht gestellt habe. In den einschlägigen Lexika wird “Faulheit” sehr unterschiedlich definiert: angefangen bei “innere Grundstimmung oder Geisteshaltung, nichts Mühsames tun zu wollen” über “Trägheit” bis zu “Ermüdung”. Dieser Begriff scheint darüber hinaus im historischen Verlauf unterschiedliche Wertungen erfahren zu haben. Daher gibt es sicherlich unterschiedliche Lesarten und Interpretationsmöglichkeiten – auch bezogen auf Oblomows Geisteshaltung. Aber gerne können wir uns darauf einigen, dass Oblomow sehr lethargisch in den Tag hineinlebt. 😉
Dostojewski ist übrigens eine gute Wahl. Viel Spaß beim Lesen!
danke für diese Tipps…
lg wolfgang
Sehr gerne! Danke für die Rückmeldung!
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eine schöne idee, diese reihe!
lieben gruß – pega 😉