Seit vergangenem Montag wurden die Kontaktbeschränkungen ein Stück weit gelockert. Doch noch immer sind einige Personengruppen aufgrund des COVID-19-Ausbruchs zwangsweise isoliert: Einige befinden sich aufgrund ihrer Erkrankung oder der Rückkehr aus dem Ausland in Quarantäne, andere stecken an ihren Urlaubszielen fest, weitere Personen unterliegen wiederum einer de facto-Ausgangssperre, da sie zu den Risikogruppen gehören. In unserem dritten und letzten Teil dieser Reihe beleuchten wir den vielleicht bedrückendsten Aspekt der Epidemie: die erzwungene Isolation.
von ALINA WOLSKI

Daniel Defoe: Robinson Crusoe; dtv
Robinson Crusoe – Daniel Defoe
Die Handlung des Robinson Crusoe ist allgemein bekannt – nicht nur aufgrund von Defoes Roman, sondern auch wegen der vielen Neuadaptionen, Verfilmungen und Bearbeitungen des Motivs in den sogenannten Robinsonaden. Ein Schiffbrüchiger findet sich auf einer Insel wieder, wo er 28 Jahre um sein Überleben und gegen die Einsamkeit kämpft. Dort – und schon auf seiner vorherigen Reise – widerfahren ihm zahlreiche Abenteuer. Als er seinen neuen Freund und Diener Freitag kennenlernt, kommt noch die Begegnung mit einer fremden Kultur als Herausforderung hinzu. Robinson Crusoe ist daher eine ausgezeichnete Lektüre für Gedankenreisen während der Quarantäne.
Daniel Defoe: Robinson Crusoe. Erster und zweiter Band
Dtv, 692 Seiten
Preis: 12,90 Euro
ISBN: 978-3423138819

Vladimir Nabokov: Einladung zur Enthauptung; Rowohlt
Einladung zur Enthauptung – Vladimir Nabokov
Vladimir Nabokovs bekanntestes literarisches Werk ist seine bei Veröffentlichung als skandalöse Pornographie höchst umstrittene Lolita. Doch in dem Großteil seiner Bücher setzt sich der aus Russland stammende Autor, der in der ganzen Welt zu Hause war, mit anderen Themen auseinander. Diese inhaltliche Reflexion und die Mannigfaltigkeit von Nabokovs Gedanken werden besonders in seinen Briefen an Véra, seine langjährige Frau und Begleiterin, deutlich. So beschreibt er in Einladung zur Enthauptung – seinem vielleicht besten Roman – die abstrus und kafkaesk anmutende Haft und Verurteilung des Straftäters Cincinnatus zum Tode. Dessen Tagesablauf ist durch Einöde und endlose Gedankenspiele geprägt. Er ist anders, sieht die Dinge anders, denkt anders. Ist das sein Verbrechen? Ist diese Situation nur für ihn, ganz im Stile der Truman-Show, inszeniert worden? Was ist Recht, was gut und was richtig? Wie viel Macht hat der Einzelne? Mit diesen Fragen eines Eingesperrten – wie Nabokov nach seiner Flucht aus Russland ein Ausgesperrter war – kann keinem Liebhaber wirklich tiefgründiger Literatur in der Quarantäne langweilig werden.
Vladimir Nabokov: Einladung zur Enthauptung
Rowohlt, 272 Seiten
Preis: 9,99 Euro
ISBN: 978-3499225499

Franz Kafka: Die Verwandlung; Reclam
Die Verwandlung – Franz Kafka
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“ Dies ist der Ansicht der Stiftung Lesen und der Initiative deutsche Sprache nach der zweitschönste Satz der deutschen Literatur – nach „Ilsebill salzte nach“. Dieser Satz bringt die Erzählung zugleich auf den Punkt. Gregor, das Ungeheuer, hat seine plötzliche Verwandlung nicht selbst zu verantworten. Seine Familie schämt sich seines Anblicks und versucht, ihn so gut wie möglich von der Öffentlichkeit abzuschirmen. So wie sich Gregors Leben von einem Tag auf den anderen vollkommen wandelte – von dem eines Tuchhändlers und Geschäftsreisenden zu dem eines Ungeheuers, das von allen gemieden wird –, hat sich auch unser Leben innerhalb weniger Wochen stark verändert. Die globalisierte Welt hat sich verlangsamt und ist beinahe zum Stillstand gekommen – zumindest was Reisen und den Flugverkehr betrifft. Anders als Gregor Samsa haben wir das Glück, aufgrund unseres Weggesperrtseins nicht zu Aussätzigen zu werden.
Franz Kafka: Die Verwandlung
Reclam, 108 Seiten
Preis: 4,00 Euro
ISBN: 978-3150191255
Hier geht es zu Teil 1: Von Krankheiten.
Und zu Teil 2: Freiwillige Isolation.
Darüber hinaus möchten wir auf die Reihe Lesen in der Corona-Krise des Blogs literaturkritik.de hinweisen.
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