Sie haben einen einsamen, tristen Winternachmittag vor sich und wissen nicht, was Sie lesen sollen? Sie sind anspruchsvoll und wollen etwas, das gesellschaftskritisch, aber auch weihnachtlich ist? Schätzen Sie sich glücklich, denn das heutige Törchen unseres Adventskalenders führt sie in das traute, weihnachtlich geschmückte Haus eines norwegischen Ehepaares kurz vorm Krisenmodus. Vorhang auf für Henrik Ibsens Nora oder Ein Puppenheim!
von CAROLIN KAISER
Theaterstücke sind in erster Linie Anweisungen für (im besten Fall) talentierte Leute, die andere mit ihrer Schauspiel- oder Regiekunst begeistern wollen (oder ihre Miete irgendwie bezahlen müssen). Das heißt aber nicht, dass diese Anweisungen nicht ohne Inszenierung talentierter Menschen zu genießen wären! Theaterstücke sind auch gute Lektüre. Der Vorteil: Bereits an einem längeren Nachmittag haben Sie das Werk komplett gelesen und Ihren literarischen Horizont erweitert. Die literarische Empfehlung für heute ist Henrik Ibsens Nora oder Ein Puppenheim aus dem Jahr 1879. Erzählt wird die Geschichte der jungen Ehefrau und Mutter Nora Helmer, die von ihrem Ehemann Torvald so verhätschelt wird, wie es heutzutage nur mit Exemplaren asthmatischer Modehunderassen geschieht. Nora soll hübsch aussehen, nicht zu viele Süßigkeiten essen, die Liebesbekundungen ihres Ehemanns freundlich über sich ergehen lassen und ab und zu den gemeinsamen Kindern über den Kopf streicheln (für deren tiefergehende Betreuung gibt es natürlich ein Kindermädchen). Dass Nora ihren Kopf nicht nur zum sprichwörtlichen Haareschneiden hat, sondern ihn tatsächlich gelegentlich zum Nachdenken nutzt, wird von ihrem ewig schmachtenden Ehemann geflissentlich ignoriert oder belächelt. Doch hinter dem gehorsamen Lächeln der Nora Helmer ist ein Geheimnis versteckt, dessen Offenbarung nicht nur ihren Ehemann schockt, sondern auch Nora den Goldkäfig erkennen lässt, in dem sie die letzten Jahre gefangen war. Warum sich dieses Stück gerade als vorweihnachtliche Lektüre eignet? Weil es ein Weihnachtsstück ist! Die Ehe der Helmers endet unterm frisch geplünderten Weihnachtsbaum, begleitet vom Duft süßer Makronen. Also machen Sie es sich mit einem schönen, heißen gløgg (oder einem ollen Glühwein) bequem, fühlen Sie die Lebensbeschränkung norwegischer Ehefrauen Ende des 19. Jahrhunderts mit und hoffen Sie, dass Ihre eigenen Weihnachtstage reibungsloser verlaufen.

Henrik Ibsen: Nora oder ein Puppenheim / Hedda Gabler. Dramen. Aus dem Norwegischen in den von Ibsen autorisierten Übersetzungen von Marie von Borch und Emma Klingenfeld.
FISCHER Taschenbuch, 208 Seiten.
Preis: 9,90 Euro
ISBN: 978-3-596-90047-3
Super Empfehlung! Das Buch sollte ich auch mal wieder lesen! 🙂