Stottern als Stilmittel

Jeff Chi: Who’s the Scatman?; Cover: Zwerchfell

Who’s the Scatman? heißt Jeff Chis kurzweilige Graphic-Novel-Biografie des US-Amerikaners John Larkin, der durch seinen Song Scatman Berühmtheit erlangte. Larkins unfreiwilliges Markenzeichen, das Stottern, wird in seiner Biografie zum alles bestimmenden Parameter – in der Kindheit ausgegrenzt, im Erwachsenenalter aufgrund der abgehackten Ausdrucksweise der eigenen Scham ausgesetzt, erhebt Larkin sein Stottern zum musikalischen Alleinstellungsmerkmal in Form der Jazzimprovisation des Scat.

von THOMAS STÖCK

Es war eine dieser Sendungen, in der One-Hit-Wonder in eine vermeintliche Bestenliste einsortiert werden. Ob RTL oder Sat.1 oder irgendein anderer Sender – vergessen sind mittlerweile Name und Sendeanstalt. Hängen geblieben sind bei mir aber der Name und das Schicksal von Scatman John, dessen viel zu schnellen Gesang im Lied Scatman ich nie reproduzieren konnte. Ohne auf die Lyrics Acht gegeben zu haben, hielt ich als Kind das Lied einfach für einen angenehmen, tanzbaren Popsong ohne tieferen Sinn wie so viele davor und danach. Wie falsch ich doch lag. Zwanzig Jahre später ist mir nun diese Graphic Novel in die Hände gefallen: die Biografie von Scatman John.

Am Anfang war der Jazz

Scat ist eine Gesangsform im Jazz, die auf Improvisation beruht und eng verknüpft ist mit Rap. Jazz ist für John Larkin, so der bürgerliche Name von Scatman John, der Ursprung der modernen Musikgenres wie Pop, Rock etc. Doch ist Jazz nicht mehr gefragt, als Larkin sein Glück als Musiker versucht. Eigentlich ist er schon eine gescheiterte musikalische Existenz, denn sein nach ihm benanntes Debütalbum von 1986 war das genaue Gegenteil eines Kassenschlagers. Erst als Larkin nach dem Mauerfall nach Deutschland kommt, ist seiner Karriere ein zweiter Frühling beschieden. 1995 gelingt ihm der internationale Durchbruch: In ganz Europa hört man Scatman John. Die Nachfolgealben sind in Japan immer noch erfolgreich, nur in seinem Heimatland, den Vereinigten Staaten, ist ihm nie so recht Erfolg beschieden.

Jeff Chi vollzieht Larkins Leben in dessen wichtigsten Episoden nach, wobei im Zentrum natürlich das Album steht, für das Larkin internationale Bekanntheit erlangte. Doch Chi zeigt zugleich auf, welche Bedeutung der Erfolg eines Stotterers für andere Menschen hat, die ebenfalls unter der Krankheit leiden. Denn genau darum geht es auch im Lied Scatman: Das gesangliche Improvisieren erinnert an das Stottern, das Larkin zeit seines Lebens begleitet hat. Seine Botschaft an Leidensgenossen: Ihr seid nicht allein, auch wenn ihr anders seid. „Everybody stutters one way or the other“. Und wenn der Scatman erfolgreich ist, dann können es auch andere Stotterer weit bringen.

The King’s Speech im Musikbusiness

Larkins Tod im Jahr 1999 tut dem bleibenden Eindruck keinen Abbruch, den der Künstler bei seinen Fans hinterlassen hat. Noch heute – davon zeugt das Nachwort von Erhard Hennen, einem Gründungsmitglied der Stotterer-Selbsthilfe – erfreuen sich Menschen Larkins Botschaft. Nicht erst seit Tom Hoopers Porträt von König George VI. in The King’s Speech ist das Stottern zum Gegenstand der Kunst erhoben worden. Larkin ging sogar noch einen Schritt weiter und nutzte sein Stottern aus, um daraus einen einzigartigen Klang zu erzeugen. Die Stolpersteine des Sprechens werden zum Klangmosaik. Jeff Chis Larkin-Biografie fängt in seinem leicht zugänglichen Zeichenstil die Problematiken ein, denen sich ein Stotterer ausgesetzt sieht. Und Chi zeigt, wie Stotterer ihrer Probleme Herr werden können.

Jeff Chi: Who’s the Scatman?
Zwerchfell Verlag, 248 Seiten
Preis: 30,00 Euro
ISBN: 978-3-943547-62-7

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