Vor genau 123 Jahren erblickte Ernest Miller Hemingway das Licht der Welt. Bekannt ist er uns heute nicht nur für seinen reduktionistischen Schreibstil, der uns als Eisberg-Theorie geläufig ist. Auch war er ein prototypischer Macho, dessen Figuren genau die Werte verkörpern, die auch Hemingways öffentliches Bild prägten. Doch trotz ihrer Chauvi-Attitüde lässt sich seinen Werken weiterhin viel Positives abgewinnen.
von THOMAS STÖCK
Die wilden zwanziger Jahre in Paris – ein wahres Tollhaus für jeden Kunst- und Kulturschaffenden! Mittendrin ein junger Mann, der der Lost Generation zugerechnet wird: Ernest Hemingway. Im Jahre 1921 verschlägt es den Weltkriegsveteranen Hemingway mit 22 Jahren in die französische Hauptstadt, in der er auf zahlreiche Amerikaner trifft, die sich hier häuslich eingerichtet haben. Um Gertrude Stein, die für die Gruppe gleichzeitig als Dichterin, Kritikerin und Kunstmäzenin fungiert, tummeln sich schillernde Gestalten der amerikanischen Literatur wie F. Scott Fitzgerald und dessen Frau, Sylvia Beach, Ezra Pound sowie Ford Madox Ford, aber auch weitere Künstler wie beispielsweise Pablo Picasso.
Und wenn diese junge Generation nicht gerade zu Stift oder Pinsel greift, dann tut sie vor allem eines: Feste feiern. Der Alkohol fließt in Strömen, es gibt immer gutes Essen und oftmals weiß man am anderen Morgen nicht, was vergangene Nacht noch alles passiert ist. Ein Fest fürs Leben soll dieses Paris sein, schenkt man Hemingways posthum veröffentlichten autobiografischen Notizen dieser Tage Glauben. Zumindest in Form der damals servierten Getränke lässt sich diese Epoche auch heute noch nacherleben. Wohl bekomm’s!
Der Jäger Hemingway
Wenn Hemingway gerade keine Cocktails kippte, betätigte er sich gern als Großwildjäger oder fischte nach Marlinen auf hoher See. Und nicht zu vergessen sind natürlich Hemingways zahlreiche Ehen (derer vier an der Zahl) und Affären, denn auch als Schürzenjäger verdingte er sich zeitlebens. Die Erlebnisse aus den Tagen seiner Jagd und der Fischerei finden sich in Texten wie Die grünen Hügel Afrikas (1935) und natürlich der Novelle Der alte Mann und das Meer (1953) verarbeitet, für letztere wurde Hemingway sowohl mit dem Pulitzer-Preis als auch dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Immerhin in seiner Nobelpreis-Rede zeigte sich Hemingway von seiner angenehmeren Seite:
„No writer who knows the great writers who did not receive the prize can accept it other than with humility. There is no need to list these writers. Everyone here may make his own list according to his knowledge and his conscience.“
Wohl gesprochen! Doch auch selbst diese demütige Haltung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Trinkgelage, das gewaltsame Unterwerfen der Natur und die oberflächlichen Liebesbeziehungen beim heutigen Publikum unter Umständen nicht mehr ganz so verfangen wie noch zu Hemingways Lebzeiten. Oder möchten Sie heute noch etwas vom Stierkampf aus der Perspektive eines Aficionados lesen (dafür wäre Tod am Nachmittag aus dem Jahre 1932 die richtige Lektüre)?
Vom Krieg
Ein Glück, dass Hemingway auch noch über andere Themen schrieb. Denn besonders die großen Kriege zu Hemingways Lebzeiten prägten sein Leben, sodass er seine Erlebnisse auch literarisch verarbeitete. Als Journalist folgte Hemingway dem Spanischen Bürgerkrieg, in dem er die republikanischen Kräfte unterstützte. Diese verloren 1939 den Krieg, die Diktatur Francisco Francos begann. Und Hemingway – schrieb. 1940 veröffentliche er den Roman Wem die Stunde schlägt, in dem er die grausamen Kriegserlebnisse verarbeitet, das Leiden des Kriegs anhand seiner Figuren aufzeigt und zugleich die Weltöffentlichkeit auf das Wirken ausländischer Kräfte im Bürgerkrieg aufmerksam macht. Sowjets und Nazis stehen sich in Spanien gegenüber. Doch unter dem Krieg leidet die Bevölkerung, die sich für eines der Lager entscheiden muss und für die der Tod zum traurigen Alltag wird. Hinter dem Buchtitel versteckt sich im Original (For Whom the Bell Tolls) zudem das Zitat eines großartigen Gedichttitels von John Donne, das an dieser Stelle wiedergegeben sei:
„For Whom the Bell Tolls No man is an island, Entire of itself. Each is a piece of the continent, A part of the main. If a clod be washed away by the sea, Europe is the less. As well as if a promontory were. As well as if a manor of thine own Or of thine friend's were. Each man’s death diminishes me, For I am involved in mankind. Therefore, send not to know For whom the bell tolls, It tolls for thee.“
Meine Empfehlungen:
Ernest Hemingway: Paris, ein Fest fürs Leben. Übersetzt von Werner Schmitz
Rowohlt Verlag, 320 Seiten
Preis: 12,00 Euro
ISBN: 978-3-644-04331-2
Ernest Hemingway: Wem die Stunde schlägt. Übersetzt von Werner Schmitz
Rowohlt Verlag, 560 Seiten
Preis: 30,00 Euro
ISBN: 978-3-498-00195-7
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