Gescheiterter Künstler, gefeierter Künstler

Akira Kurosawa (1910–1998) vor Beginn seiner großen Karriere im Jahr 1937.

Heute vor 24 Jahren ist der japanische Regisseur Akira Kurosawa gestorben. Wenige Filmemacher haben eine solch große Anzahl an filmischen Meisterwerken hinterlassen wie der Japaner. Egal ob Historienepos, Kriminalfilm oder Gesellschaftsdrama – Kurosawas Filme gehören immer noch mit zu den besten, die die Filmwelt zu bieten hat. Dabei wollte Kurosawa eigentlich gar nicht Regisseur werden und am Anfang seiner Filmkarriere stand auch noch der Tod eines geliebten Menschen.

von CAROLIN KAISER

Dieses Porträt hätte das Potenzial gehabt, mit einem schlechten Hitlerwitz zu beginnen. Denn am Anfang von Akira Kurosawas beruflichem Werdegang standen der Wunsch, Künstler zu werden und – Sie werden es sich sicherlich schon denken können – die Ablehnung an einer Kunstschule. Glücklicherweise entschied sich Kurosawa am Scherbenhaufen seiner Malereiaspirationen nicht für eine politisch-völkermörderische Laufbahn, sondern blieb der Welt der Kunst im erweiterten Sinne erhalten. Der 1910 als jüngstes von acht Kindern in Tokio geborene Kurosawa wandte sich stattdessen Mitte der 1930er Jahre der Filmbranche zu. Erste Berührungspunkte hatte der damals 25-Jährige schon: Während seiner mehr schlecht als recht laufenden Künstlerkarriere lebte er mit seinem älteren Bruder Heigo zusammen, der als „Benshi“ im Kino arbeitete, einer Art Echtzeit-Synchronsprecher vor Ort für Stummfilme. Da Stummfilme aber auch in Japan spätestens ab den 1930er Jahren vom Tonfilm den Rang abgelaufen bekamen, erging es Heigo wie vielen Starschauspielern und -schauspielerinnen des Stummfilms: Er war auf einmal arbeitslos. Eine schwere Depression folgte und endete 1933 schließlich in Heigos Selbstmord. Ob der Freitod des geliebten Bruders Kurosawas Entscheidung beeinflusst hat, sich nur zwei Jahre später auf eine Stelle als Regieassistent bei einer Filmfirma zu bewerben? Mit Gewissheit können wir das nicht beantworten. Aber viele von Kurosawas späteren Werken sind seinem verstorbenen Bruder Heigo gewidmet.

Samurais, Judo, Shakespeare, Film Noir – ein Meister vieler Genres

Nachdem Kurosawa die nächsten sieben Jahre das Filmschaffendenhandwerk aus nächster Nähe gelernt hatte und bereits eigene Drehbücher schrieb und an andere Regisseure verkaufte, durfte Kurosawa schließlich 1942 das erste Mal selbst bei einem Spielfilm Regie führen. Auch wenn Judo Saga – Die Legende vom großen Judo[1]aus heutiger Sicht sicherlich nicht Kurosawas bahnbrechendster Film ist, war er der Anstoß für eine nicht nur äußerst erfolgreiche, sondern auch äußerst produktive Karriere. Allein in den 20 Jahren nach Erscheinen seines ersten Films 1943 veröffentlichte Kurosawa 21 weitere, darunter so einflussreiche Klassiker wie Die Sieben Samurai (1954) und Yojimbo – Der Leibwächter (1961) – Nicht-Western-Filme, die das Westerngenre vermutlich mehr geprägt haben als jeder richtige Western. Beide Filme gehören auch dem Genre an, für das Kurosawa wohl am berühmtesten ist: epische japanische Historiendramen, in Japan unter dem Namen Jidaigeki bekannt. Interessanterweise sind die Inspirationsquellen einiger dieser Filme allerdings gar nicht japanisch. Kurosawa war nämlich auch ein großer Fan westlicher Literatur und besonders angetan zu haben scheint es ihm William Shakespeare. Gleich zwei von Kurosawas Historiendramen sind Stücken des englischen „Rockstars der Renaissance“ entnommen und ins historische Japan versetzt – Das Schloss im Spinnwebwald (1957, Macbeth) und Ran (1985, King Lear). Kurosawa lediglich als einen Historienfilmemacher abzustempeln, würde der Genrevielfalt seines Gesamtwerks jedoch nicht gerecht werden. Mit Ein streunender Hund (1949) und Zwischen Himmel und Hölle (1963) hat Kurosawa bewiesen, dass er auch Kriminalgeschichten meisterhaft auf Film bannen konnte. Gesellschaftsdramen wie Kein Bedauern für meine Jugend (1946) und Engel der Verlorenen (1948), die sich beide mit der besiegten japanischen Nachkriegsgesellschaft auseinandersetzen, sind ebenfalls in Kurosawas Repertoire zu finden. Aber anstatt Sie jetzt weiter mit Filmtiteln zu bombardieren, gebe ich Ihnen einen ernstgemeinsten Rat: Schauen Sie sich einfach irgendeinen der Filme aus Kurosawas Gesamtwerk an, ist auch egal welcher. Tun Sie sich den Gefallen.     

Meine Empfehlungen:

Ran (1985)
Regie: Akira Kurosawa
Drehbuch: Akira Kurosawa, Hideo Oguni, Masato Ide
Besetzung: Tatsuya Nakadai, Akira Terao, Jinpachi Nezu, Daisuke Ryu, Mieko Harada, Peter (Shinnosuke Ikehata)
Laufzeit: 162 Minuten

Zwischen Himmel und Hölle (1963)
Regie: Akira Kurosawa
Drehbuch: Akira Kurosawa, Eijirō Hisaita, Ryuzo Kikushima, Hideo Oguni
Besetzung: Toshirō Mifune, Tatsuya Nakadai, Kyōko Kagawa, Tsutomu Yamazaki
Laufzeit: 143 Minuten

Die Sieben Samurai (1954)
Regie: Akira Kurosawa
Drehbuch: Akira Kurosawa, Shinobu Hashimoto, Hideo Oguni
Besetzung: Toshirō Mifune, Takashi Shimura, Yoshio Inaba, Seiji Miyaguchi
Laufzeit: 207 Minuten


[1] Der Film handelt – Sie werden es kaum glauben – von Judo.

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