Man nehme einen großen französischen Philosophen, seinen größten Verehrer und eine bewusstseinserweiternde Droge…

Simeon Wade: Foucault in Kalifornien; Cover: Kiepenheuter & Witsch

… und man erhält den Bericht des damals 35-jährigen Assistenzprofessors Simeon Wade über einen Ausflug ins Death Valley mit Michel Foucault, angereichert mit LSD. Was Foucault selbst als „die größte Erfahrung meines Lebens“ bezeichnet, die Briefen zufolge auch seine nachfolgenden Werke beeinflusst hat, nimmt im Buch zwar einen zentralen Platz, aber wenig Raum ein.

von JANA SCHRÄDER-GRAU

Eingeordnet durch ein Vorwort von Heather Dundas, die Wade persönlich getroffen hat, und einen Essay von Kai Sina erscheint die „wahre Geschichte“ eher wie der Blick in das Tagebuch eines Heiligenverehrers. Das titelgebende Ereignis, nämlich der Aufenthalt im Death Valley – begleitet von Musik, einer Flasche Grand Marnier, Marihuana und selbstverständlich LSD –, nimmt nur wenige Seiten des Buches ein. Die Geschichte nimmt lange Anlauf, denn ein Ausflug mit Michel Foucault will gut geplant sein.

Ein Interview mit Foucault

Auf den Trip ins Death Valley wird Foucault nur von Simeon und seinem Partner Michael Stoneman begleitet. Bei einem anschließenden Besuch in die Bear Canyons ist er umgeben von einer ganzen Schar junger Männer, die ihn unablässig ausfragen – allen voran der Erzähler selbst. Neben Fragen über seine Einstellung zu bestimmten Theorien, Philosophien und Autoren werden Foucault auch etliche Fragen über sein Privatleben, seine Sexualität und seine Einstellung zu bestimmten Bewegungen gestellt, nicht zuletzt gibt er seinen Anhängern geduldig Lebensratschläge. Es ist daher wenig verwunderlich, dass das Buch mit dem Transkript einer Tonbandaufnahme der Diskussion aus Wades Kurs am Claremont Men’s College, die aus einem beinahe ermüdenden Frage-Antwort-Spiel besteht, und der folgenden Abreise Foucaults endet.

„Saint Michel und sein Jünger“

Der Titel des abschließenden Essays von Kai Sina deutet schon an, dass in Wades Geschichte vielmehr die Beziehung zwischen ihm und Foucault im Vordergrund steht. Der Aufenthalt des Philosophen in Kalifornien ist besonders für ihn, der wie die anderen jungen Männer stark von Foucaults Schriften beeinflusst wurde und seine akademische Lehre an ihnen orientieren möchte, ein Ereignis mit besonderer Kraft. Er begegnet seinem Mentor, verbringt wenige Tage mit ihm, zeigt ihm die Schönheit Kaliforniens und will ihm mit dem „himmlischen Elixier“ ein Erlebnis verschaffen, das sein Denken revolutioniert – was einem Brief von Foucault in Wades Nachlass zufolge erfolgreich war: Mit seinem „Buch über sexuelle Repression“ musste er nach dem Ausflug ins Death Valley nochmal „von vorn beginnen“ (5. Oktober 1975). Die Geschichte erzählt den Beginn einer Freundschaft zwischen einem Bewunderer und seinem Meister, die zuweilen ungewollt komisch geschrieben ist, weil sie eine beinahe religiöse Verehrung spiegelt, manchmal aber auch anstrengend zu lesen ist. Über das Frage-Antwort-Spiel zwischen Foucault und Wade stolpert man als Lesende spätestens dann, wenn ein Erinnerungsbericht, in dem halluzinogene Drogen eine titelgebende Rolle einnehmen, in direkter Rede geschrieben ist.

Simeon Wade: Foucault in Kalifornien. Wie der große Philosoph im Death Valley LSD nahm – eine wahre Geschichte

Kiepenheuer & Witsch, 174 Seiten

Preis: 20,00 Euro

ISBN: 978-3-462-05443-9

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