Das titelgebende Zitat stammt aus der Feder Edgar Allan Poes, den heute vor 173 Jahren ein noch immer ungeklärter Tod ereilte. Das Ende des Autors von Geschichten wie The Fall of the House of Usher ist ebenso mysteriös wie das Schicksal und die geistige Verfassung vieler seiner Erzählfiguren. In seinem Werk spielen Wahnsinn und die Psyche eine große Rolle, die Leser*innen werden regelmäßig mit Übernatürlichem, Mord und (vermeintlicher?) Auferstehung konfrontiert. Doch warum setzt sich Poe vorwiegend mit diesen Themen auseinander? Im heutigen Porträt wollen wir gemeinsam einen Blick auf das Leben dieses trotz seiner psychischen Instabilität erstaunlich produktiven Schriftstellers werfen.
von AIVE JÜRGENS
Der am 19. Januar 1809 geborene Edgar Allan Poe ist wohl einer der bekanntesten amerikanischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Sein Werk umspannt (passend zum Halloweenmonat Oktober) die Genres der Horror- und Schauerliteratur, der Science-Fiction und der Lyrik. In seinen Werken verarbeitet er unter anderem Themen des Wahnsinns, des Todes und der Trauer. Diese Thematiken sind kaum verwunderlich, wenn man sich seine Biografie etwas näher anschaut.
Das Leiden in Leidenschaft
Mit nur zwei Jahren ist Poe – späterer Pionier der Detektiv- und Kurzgeschichte – bereits Vollwaise. Er wird von dem Kaufmann John Allan und seiner Frau Frances aufgenommen, was ihm den Beinamen Allan verschafft. Poe besucht 1826 für ein Jahr die University of Virginia, die damals teuerste Hochschule des Landes. Während dieser Zeit rutscht er immer tiefer in die Spielsucht, in den Alkoholismus und häuft Schulden an – eine Tatsache, die das ohnehin schon angespannte Verhältnis zu John Allan nur noch weiter verschlechtert. Nach andauernden Konflikten über die Finanzierung seiner Studien und seines Lebensstils tritt der 18-jährige Poe 1827 unter falschem Namen und Geburtsdatum in die Armee ein. Im gleichen Jahr veröffentlicht er seinen ersten Gedichtband Tamerlane and Other Poems. Doch weder der Gedichtband noch Poes Privatleben sind erfolgreich: Es werden nur 50 Exemplare gedruckt, seine Jugendliebe heiratet einen anderen Mann und 1829 verstirbt seine Pflegemutter Frances plötzlich. Poe wird unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen und von Allan enterbt. 1835 heiratet er mit 26 Jahren seine 13-jährige Cousine ersten Grades, Virginia Clemm. 1839 erscheint seine erste Sammlung von Erzählungen, Tales of the Grotesqueand the Arabesque. Virginia erkrankt 1842 an Tuberkulose und verstirbt fünf Jahre später krankheitsbedingt. In dieser Zeit kämpft Poe weiter mit dem Alkoholismus und veröffentlicht unter anderem The Raven, ein Gedicht, das ihn erstmals in der Branche etabliert. Das Sujet des Todes einer schönen Frau und des Verlustes bewegen Poe also nicht nur auf biografischer, sondern zunehmend auch auf literarischer Ebene. Trotz Bemühungen seinerseits scheitern nach Virginias Tod alle weiteren Versuche Poes, noch einmal zu heiraten (nicht zuletzt durch seinen Konsum verschiedenster Substanzen und seinem psychisch instabilen Zustand). Seine erstaunliche Produktivität und das Erschaffen dunkler und beunruhigender Geschichten sind das Ergebnis eines langen Kampfes mit der Leidenschaft, dem tragischen Verlust und dem Alkoholismus.
Die Psyche von Poes Erzählern – mehr „Wahn“ als „Sinn“
Das wohl bekannteste Sujet Poes ist der Verlust einer geliebten Frau, den er im Laufe seines Lebens immer und immer wieder aus nächster Nähe miterlebt hat. Die Erzähler in Poes Geschichten berichten häufig von Verlust und der Weigerung, diesen zu akzeptieren. Schon die schiere Anzahl von Geschichten, die sich mit wahnsinniger Trauer beschäftigen, zeigt, wie präsent dieses Thema für Poe war: In Ligeia ist der Erzähler so besessen von seiner verlorenen Frau, dass er meint, diese in der Leiche seiner zweiten Frau wiederzuerkennen. In The Raven treibt der Verlust der geliebten Lenore den Erzähler in den Wahnsinn. In Morella lebt die Geliebte im Körper ihres Kindes weiter. Die Thematik verfolgt Poe sogar bis in seine Lyrik, so zum Beispiel in Annabel Lee. Poe verarbeitet auch die Themen Auferstehung oder Kommunikation zwischen den Lebenden und den Toten, zum Beispiel in Eleonora, Berenice oder The Fall of the House of Usher. In The Oval Portrait liebt ein Künstler seine Angebetete so sehr, dass es zu ihrem Tod führt. In seinem Essay The Philosophy of Composition gibt Poe an, dass der Tod einer schönen Frau das geeignetste Thema für Lyrik sei, da es universell und tragisch ist. Doch es drängt sich die Vermutung auf, dass dieses Thema nicht nur aufgrund seiner Poetik zentral für sein Werk ist. Bei einem Leben so angefüllt mit Verlust, Suchtproblematik und Einsamkeit sind die düsteren Geschichten wohl fast schon zu erwarten. Nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen) sind Poes Geschichten immer noch lesenswert und spannend.
Meine Empfehlungen:
Edgar Allan Poe: Der Rabe und sämtliche Gedichte. Übersetzt von Theodor Etzel und Hedwig Lachmann
Nikol Verlag, 176 Seiten
Preis: 7,00 Euro
ISBN: 978-3-86820-567-1
Edgar Allan Poe: Unheimliche und phantastische Geschichten (3 Bände). Herausgegeben von Kim Landgraf
Anakonda Verlag, 1632 Seiten
Preis: 17,95 Euro
ISBN: 978-3-7306-0594-3