Eine Reise durch Raum und Zeit, obwohl man sich dabei möglicherweise physisch immerzu an ein und demselben Ort befindet – das ermöglicht das Lesen. Wenn nun circa 4.000 Ausstellende aus 95 Ländern und insgesamt etwa 180.000 Besuchende an einem Platz zusammenkommen, um das Buch zu zelebrieren, kann man sich auf eine wunderbare, einzigartige Reise freuen, die sich Frankfurter Buchmesse nennt.
von SASKIA BRÜNGER
Vor dem 20. Oktober dieses Jahres war ich noch nie zuvor auf einer großen Messe von internationaler Bedeutung, geschweige denn auf der Frankfurter Buchmesse gewesen. Für mich war der Besuch der Messe also besonders aufregend, da ein lang gehegter Traum in Erfüllung ging. Wie so oft bei Ereignissen, auf die man sich sehr freut, konnte ich den Messebesuch kaum abwarten. Entgegen meiner guten Vorsätze, den Tag auf dem Messegelände schon vorher minutiös durchzuplanen, ging ich letztendlich eher unvorbereitet in den Tag. Wegen des schier unendlich großen Angebots von Veranstaltungen und Messeständen und der begrenzten Zeit haben meine Begleitung und ich uns dann auch recht schnell dazu entschieden, uns erst einmal ohne weitere Hintergedanken in das Treiben zu stürzen.
Unsere erste Station war der Pavillon des diesjährigen Ehrengastes der Messe. Entsprechend der langjährigen Tradition handelte es sich dieses Jahr um das Land Spanien. In diesem Pavillon schien es, als sei man nicht nur superfizieller Beobachter der Literatur, sondern auch ein Teil dieser. Unter dem Motto „Creatividad Desbordante“ – Sprühende Kreativität – repräsentierte sich Spanien als ein wundervoller Ehrengast, dessen Auftritt seinem Motto mehr als gerecht werden sollte. Die Vielfalt der Messe und Spaniens selbst mit all seinen Regionalsprachen, wie etwa dem Katalanischen und dem Galicischen, wurde in diesem Pavillon widergespiegelt. Neben dem gedruckten Wort in Form einer langen, geschwungenen Bücherwand wurde durch das Zusammenspiel von Wort und Technik eine besondere Atmosphäre kreiert. So wurde in diesem Raum die Literatur nicht nur lesbar, sondern zusätzlich vor allem hörbar, fühlbar und erlebbar. Verschiedenste Installationen und Projektionen bildeten einen Rahmen für zwei Bühnen, auf denen zahllose Veranstaltungen zu Ehren des Gastlands stattfanden. Sehr gut gefallen hat mir in der Ausstellung auch ein Stand, an dem es Bücher wie etwa Die kleine Raupe Nimmersatt in Brailleschrift zu lesen gab.
Reiselust mit einer kleinen Prise Frust
Nach diesem wundervollen Start in den Tag gingen wir mit der stets geöffneten Frankfurter Buchmessen-App, durch die wir uns etwas Durchblick erhofften, in die weiteren Ausstellungshallen. Diese waren schöner, beeindruckender und insgesamt einfach mehr, als ich sie mir zuvor jemals hätte vorstellen und erträumen können. Ein Kompliment muss dabei auch den Organisator:innen gemacht werden. Als wir uns etwa auf der Suche nach der Pressestelle trotz der Beschilderung der Stände und Hallen und des Lageplans in unseren Händen verlaufen haben, wurde uns von den zahlreichen Mitarbeitenden sehr zuvorkommend weitergeholfen. Bei dieser Suche durchquerten wir schnellen Schrittes schon einige Hallen und liefen an vielen Ständen vorbei. Dadurch wurde unsere Freude auf den weiteren Tag kurzzeitig etwas getrübt, da wir schon nach wenigen Stationen eine Sache realisierten: Uns wurde schnell klar, dass ein einziger Tag auf der Messe eigentlich zu wenig sein würde, um sowohl die Stände als auch die Veranstaltungen besuchen zu können, die uns interessierten. Da wir die kostbare Zeit allerdings nicht weiter damit verschwenden wollten, Trübsal zu blasen, verdrängten wir diesen Gedanken schnell wieder und nutzten sie sinnvoller, indem wir uns durch die Hallen pirschten. Alle möglichen mir bekannten, und auch sehr viele mir bis dato unbekannte, nationale und internationale Ausstellende waren über das gesamte Messegelände verteilt. Nachdem wir also zunächst schnell an einigen dieser Stände vorbeigelaufen waren, nahmen wir uns nun mehr Zeit, sie uns genauer anzusehen. Dabei entdeckten wir viele spannende neue Projekte und Bücher, auf deren Erscheinungsdaten ich mich sehr freue.
Ein persönliches Highlight sollte am Nachmittag folgen, nachdem wir schon einige Stände haben sehen und entdecken können. Als langjähriger True-Crime-Fan war es mir eine Ehre, bei einer Veranstaltung der Moderatorinnen des Podcasts Eyes in the Dark dabei sein zu dürfen. Die beiden Stimmen, denen ich schon seit geraumer Zeit sonst jeden Sonntag für circa 1 ½ Stunden zuhöre, erhielten durch die Lesung plötzlich zwei Gesichter. Im Zuge der Veröffentlichung ihres zweiten Buchs True Crime 2, das kürzlich im arsedition-Verlag erschienen ist, veranstalteten Laura Regenauer und Sarah Fischer eine Lesung. Diese war, wie auch das Buch selbst, interaktiv. Als Escape-Room-Thriller erfordert es das Mitraten der Lesenden. Während der Lesung hatten wir Zuschauenden also die Möglichkeit, über die Internetseite mentimeter.com mitzuraten und dadurch den Tathergang des vorgestellten Kriminalfalls zu rekonstruieren und den Täter zu finden. Weil die Lesung viel zu schnell vorbei war und ich unbedingt erfahren möchte, wie sich die Geschichte weiterentwickeln wird, befindet sich das Buch bereits auf meiner Wunschliste. Nach der Lesung haben sich die beiden zusätzlich noch die Zeit genommen, mit meiner Begleitung und mir zu reden. In diesem Gespräch (und auch in der neuesten Folge ihres Podcasts, Folge 121) beschrieben die beiden, dass diese Lesung die erste dieser Art für die beiden gewesen sei, was man den beiden allerdings nicht weiter angemerkt hat.
Rückreiseantritt nach Madrid
Nach diesem Ausflug in die True-Crime-Sparte ging es zurück in die Hallen der Messe, wo wir uns die letzten Stände ansahen, die wir unbedingt sehen wollten. Als wir schon etwas müde, vor allem aber zufrieden mit der Zahl der Stände waren, die wir gesehen hatten, machten wir uns zurück auf den Weg zum Ehrengast. Wo unser Tag begann, sollte er also auch enden. Dort wurden wir Zeuginnen eines wundervollen Konzerts der aus Madrid stammenden Sängerin Sheila Blanco, die Gedichte weiblicher Poetinnen, die dem Dichterkreis Generación del 27 angehörten, auf beeindruckende Weise vertonte und mit eigenem Klavierspiel begleitete. Die Bedeutung dieser Gedichte wurde einerseits durch die Vortragsweise deutlich, andererseits wurde aber auch uns Zuschauenden geholfen, die das Spanische nicht beherrschen. Dank einer Moderatorin, die auch auf Englisch erklärte, wovon die Gedichte handelten und in welchem Kontext sie geschrieben wurden, konnte ich den Vortrag noch mehr genießen. Die Darbietung war so eindrucksvoll, dass meine Begleitung und ich uns zunächst fragten, ob es sich bei der Musik um aufgenommene Musik oder Livemusik handelte. Beeindruckt waren wir von den Klängen so oder so, doch als wir dann sahen, dass Blanco live sang, hatten wir beide eine Gänsehaut am ganzen Körper. Welch schöner Abschluss eines wundervollen Tages! Den Ehrengast-Staffelstab reichte Spanien zum Abschluss der Messe übrigens an Slowenien weiter, auf deren Auftritt im nächsten Jahr ich mich schon jetzt sehr freue. Dieser Messebesuch soll auf keinen Fall der letzte für mich gewesen sein!