Stephen Karam adaptiert sein renommiertes Drama The Humans für die Leinwand und schafft einen Film, der atmosphärisch zwischen Familiendrama und Psychothriller schwankt. Amy Schumer und Beanie Feldstein spielen in einem minimalistischen Set zwei Schwestern im Kreise ihrer mehr oder weniger dysfunktionalen Verwandten. Die Alltagsprobleme einer Durchschnittsfamilie werden in The Humans auf unkonventionelle Art portraitiert. Obwohl es Zeit braucht bis der Film in Fahrt gerät, ermöglichen die heruntergeschraubten Schauspielleistungen und überraschende Kameraeinstellungen letztendlich einen Spagat zwischen den Genrekonventionen.
von KAREN ELIAS
Eine Familie kommt an Thanksgiving im frisch bezogenen New Yorker Apartment einer der beiden Töchter zusammen. Dabei sind die Eltern, die demente Großmutter sowie die zwei Töchter Brigid (Beanie Feldstein) und Aimee (Amy Schumer) sowie Brigids Partner Rich (Steven Yeun). Die Handlung von The Humans findet an diesem einen Thanksgiving-Abend statt, an dem eigentlich recht wenig passiert. Die Familie unterhält sich, isst zu Abend und nach und nach werden die verschiedenen Probleme der Figuren aufgedeckt und thematisiert. Allerdings herrscht eine merkwürdige Stimmung: Das Licht fällt aus, seltsame Geräusche hallen durch die leicht heruntergekommene Wohnung und mit der Zeit werden einige Familiengeheimnisse enthüllt.
Einengende Kameraeinstellungen und eiskaltes Licht
Der Film zeichnet sich nicht durch kreative Dialoge oder interessante Figuren aus. Zu Anfang wirkt alles recht formelhaft: Die religiösen Eltern besuchen ihre Töchter in New York und erleben den Kontrast zu deren modernen Lebensstilen. Außerdem ist da noch die Krankheit der Großmutter sowie kleine Geldprobleme, die das Thanksgiving-Fest verdüstern. Es werden ein paar Witze gemacht, doch der Film scheint erstmal weder besonders lustig noch außergewöhnlich tragisch zu sein. Allerdings wird es durch die kuriosen Kameraeinstellungen und das Setdesign dann doch spannend. Die Kamera filmt die Figuren meist aus einem Nebenraum. So ist die Handlung häufig von einem Türrahmen umgeben, die Figuren scheinen weit entfernt. Es wird eine einengende Atmosphäre kreiert, die durch das oft kalte, grünliche Licht der noch nicht eingerichteten Wohnung verstärkt wird. Außerdem sind die Konversationen meist sehr leise, man erhascht sie beinahe wie im Vorbeigehen. Das führt dazu, dass man sich nicht als Teil der Familie fühlt. Die Zuschauerin bleibt eher Beobachterin der Familie am Esstisch. Erst spät entsteht ein Gefühl der Empathie. Stephen Karam benutzt außergewöhnliche Techniken, um eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen, bei der man jeden Moment darauf wartet, dass die banale Handlung ins Horror-Genre abkippt. Allerdings verliert er dadurch auch die Nähe zu seinen Figuren.
Überraschend subtile Schauspielleistungen
Hin und wieder gibt es allerdings kurze Momente der Wärme in den sonst so ungemütlichen 107 Minuten Laufzeit des Films. Zum Beispiel als Aimee mit ihrer Schwester im Dunkeln sitzt und ihr von der ernsten Lage ihrer Darmerkrankung erzählt oder als die ganze Familie zwei Mal das Vaterunser betet, weil dies die Erinnerung der dementen Großmutter anzuregen scheint. Diese Augenblicke der Menschlichkeit wirken besonders eindrücklich, da wirklich alle sechs Darsteller*innen eine authentische und berührende Vorstellung bieten. Besonders die sonst nur für Comedy bekannte Amy Schumer überrascht mit der zurückgeschraubten, aber trotzdem emotionalen Darstellung einer von Krankheit und Verlust gezeichneten Frau. Auch Jayne Houdyshell spielt gekonnt die leidende Mutter mit der toughen Fassade.
Der zu Beginn doch eher blutleer wirkende Film nimmt Fahrt auf und endet mit einer berührenden Reihe von Szenen, die auf eine schockierende Offenbarung des Vaters folgen. The Humans ist ein experimentierfreudiges Filmdebüt und es gelingt Karam, die Trostlosigkeit des menschlichen Lebens zwischen Krankheit, Geldsorgen und Familienstreitigkeiten darzustellen. Das Spiel mit Genrekonventionen und kluger Kameraführung schafft ein klaustrophobisches Familiendrama, das immerzu droht ins Unheimliche umzukippen.
The Humans (2021)
Regie: Stephen Karam
Drehbuch: Stephen Karam
Besetzung: Beanie Feldstein, Steven Yeun, Amy Schumer
Laufzeit: 107 Minuten
Seit August 2022 auf Mubi