Na, können Sie nicht schlafen? Falls Ihnen der weihnachtliche Stress wieder einmal zu Kopf steigt und Sie nicht mehr wissen, wo Ihnen selbiger steht: Mit Tahar Ben Jellouns Krimi-Komödie Schlaflos kommen Sie ganz schnell auf andere Gedanken! Mit humorigem Augenzwinkern berichtet uns der namenlose Ich-Erzähler, wie er sich vom Drehbuchautor zum Serienmörder mausert – und das alles nur für eine Mütze voll Schlaf…
von THOMAS STÖCK
Sie wissen, Sie halten ein besonderes Buch in der Hand, wenn es mit dem Satz beginnt: „Ich habe meine Mutter getötet.“ In Tahar Ben Jellouns Schlaflos begegnet uns ein namenloser Ich-Erzähler, der eigentlich Drehbücher für Filme schreibt. Mit Mordfällen kennt er sich also sozusagen von Berufswegen aus. Doch seine Unfähigkeit zu schlafen verführt ihn dazu, Menschen über den Jordan treten zu lassen. Und alles fängt damit an, dass er seine eigene Mutter aus dem Leben scheiden lässt. Sie merken es vielleicht, meine gewählten Formulierungen klingen so gar nicht nach Zeter und Mordio, sondern – nun ja – nach „ein wenig nachhelfen“.
So ungefähr können Sie es sich vorstellen, wenn unser Drehbuchautor zum Kissen greift und damit seine eigene Mutter vom Leben erlöst. Denn natürlich ist unser namenloser Erzähler kein Unmensch – Gott bewahre! Er verlagert nur das Unausweichliche nach vorne. Und siehe da: „Zum ersten Mal seit Langem habe ich eine ganze Nacht tief, entspannt, erholsam durchgeschlafen.“ Mit der Zeit entdeckt der Protagonist, dass seine Tötungen sich unterschiedlich auf seinen Schlaf auswirken – je moralisch verkommener seine Opfer sind, desto länger profitiert er nachts von seinen Taten.
Schlaf auf Mordkredit
Der Drehbuchschreiber beginnt auszurechnen, wie viele Tage er für das Töten einer Person „erwirtschaftet“. So kommt er darauf, Personen mit Kreditpunkten abzurechnen. Doch auch hier schleicht sich ab und zu ein Fehler ein. Er weiht einen flüchtigen Bekannten namens Tony zwangsweise in seine Tötungsaktionen ein. Als dieser jedoch beginnt, von ihren gemeinsamen nächtlichen Abenteuern auch seiner Frau Katy zu berichten, muss auch er dran glauben. Das führt zu einer der vielen skurrilen Szenen im Buch:
„Wie gewohnt beugte ich mich über ihn und erstickte ihn verstohlen. Katy bemerkte nichts. Sie war niedergeschlagen und saß schluchzend am Boden. Auch ich begann zu weinen. Sobald der Arzt den Tod festgestellt hatte, erschien ein Krankenpfleger im Zimmer und präsentierte die Rechnung. Keinerlei Respekt, keinerlei Taktgefühl.“
Mörder sind eben doch die besseren Menschen! Tonys Tod bringt eine weitere unerwünschte Folge mit sich: Der Drehbuchautor hat nun „hervorragende Erektionen“, wie es heißt. Nur dass er damit nichts anzufangen weiß… Doch auch hierfür empfiehlt ihm ein „zynischer Arzt“ ein Rezept:
„morgens, mittags und abends masturbieren vor einem deutschen Pornofilm, wahrscheinlich die Schlimmsten auf diesem Gebiet. Er versicherte mir, nach vierzehn Tagen würde ich wieder eine ausgeglichene Libido haben.“
Ein köstliches Buch über Vergänglichkeit, Moral und die marokkanische Gesellschaft, welches Sie in der vorweihnachtlichen Zeit auf andere Gedanken bringen wird. Wohl bekomm’s!
Tahar Ben Jelloun: Schlaflos. Aus dem Französischen von Christiane Kayser. Herausgegeben von Wolfgang Franßen. Mit einem Nachwort von Estelle Surbranche
Polar Verlag, 216 Seiten
Preis: 20,00 Euro
ISBN: 978-3-948392-24-6