Türchen 21: Still und unruhig

Durch Rosa in Grau von Simone Scharbert taucht man in eine transzendente Welt ein. Der Roman lässt die Grenze zwischen Kunst, Poesie und Literatur verschwinden. Die geschilderte Unruhe der Protagonistin macht einen innerlich konzentriert und ganz still. Eine gefasste und auch winterlich, weihnachtliche Stimmung breitet sich im Leser aus. 

von LISA THEISSEN

Die Protagonistin von Simone Scharberts Roman Rosa in Grau ist in den 1950ern in einer Nervenheilanstalt in Haar – Eglfing untergebracht. Langsam, aber unaufhaltsam, Stück für Stück, erfährt man, wie grausam und auch schön das Leben in der Zeit nach dem Krieg an einem so furchtbaren Ort sein kann. Fragmentarisch werden Eckdaten über die Ich-Erzählerin und ihre Mitinsassinnen in der Anstalt, später zu einem Krankenhaus umbenannt, erzählt. Das Warum und das Wie verschwimmen ständig. Die Ich-Perspektive zwingt einen in die Wahrnehmung eines psychisch krankhaften Zustands, der vor Unruhe und wunderschönen Gedanken strotzt. Es ist eine leise Erzählung, die einen innerlich in Bewegung setzt, die Gedanken kreisen lässt. Die Frau, die hier erzählt, hat ständige Begleitung durch reale Personen, oder auch von Rosa. Rosa ist ein Mädchen, welches nur in der Vorstellung von ihr existiert und handelt. Erinnerungen und Fantasie wechseln sich in Form von Gedanken ab und wirken wie ein luzider Traum. Man träumt mit der Frau, die dort mit Wörtern malt. 

Rosa in Grau.

Sie hängt die Worte zwischen uns.

Die Leine ein dünnes Vertrauen.

So wie ich mich gezeichnet habe, Rosa in Grau kann ich nie werden.

Blicke sie aufmerksam an, blicke aufs Rosa.

Ins Grau auch.

Meine Seele ist zu unruhig, seit ich da bin.

Simone Scharbert hat für dieses Buch viel über Frauen in psychiatrischen Anstalten der Nachkriegszeit recherchiert und hier ein funkelndes Kleinod erschaffen, durch das man Einblicke in diese Welt erhält. Diese Welt, in der für die Betroffenen oft nur noch die Kunst und Poesie ein Mittel des Ausdrucks waren und sind. Der Roman steht in engem Bezug zur Sammlung Prinzhorn, die ein Museum in Heidelberg für historische Werke aus psychiatrischen Anstalten sowie von heutigen Psychiatriepatienten ist. Warum sollte man so etwas in der Weihnachtszeit lesen? Es erdet einen, macht einem seine eigenen Grenzen bewusst und hinterlässt ein starkes Gefühl von Lebendigkeit. Eine Bereicherung in dieser Zeit der Besinnlichkeit.

Simone Scharbert: Rosa in Grau, Cover: Voland & Quist.

Simone Scharbert: Rosa in Grau. Eine Heimsuchung

Voland & Quist. Edition Azur, 184 Seiten

Preis: 22,00 Euro

ISBN: 978–3–942375–56-6

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