In Miss Kim weiß Bescheid versammelt Cho Nam-Joo acht Geschichten koreanischer Frauen, die aus deren Alltag erzählen. Dabei weisen die Kurzgeschichten auf Missstände und Ungerechtigkeiten, aber auch auf ganz persönliche Schwierigkeiten und Hindernisse hin.
von CELINA FARKEN
Cho Nam-Joo schafft mit Miss Kim weiß Bescheid durch ihre präzise und glasklare Sprache auf Diskriminierung gegenüber Frauen in der koreanischen Gesellschaft hinzuweisen. Die acht Kurzgeschichten zeigen, was junge und ältere Frauen in Hinsicht auf Karriere, Familie, und ganz persönliche Wünsche beschäftigt und wie sie mit den einhergehenden Schwierigkeiten umgehen.
Vom Altern
In einigen der Kurzgeschichten thematisiert Cho Nam-Joo das Älterwerden auf interessante und auch poetische Weise. In Unter dem Pflaumenbaum erzählt sie von einer Frau namens Dongju, die ihre ältere Schwester im Pflegeheim besucht und die sich selbst dem Älterwerden stellen muss. Begleitet wird das Thema symbolisch von einem Pflaumenbaum, dessen Veränderung während der Jahreszeiten auf das Leben selbst verweist. Erinnerung und Gegenwart werden miteinander verbunden, indem Dongju aus der Kindheit der Schwestern rückblickend berichtet.
Auch Hyokyung in Die Nacht der Polarlichter beschäftigt das Älterwerden, aber auf eine andere Art und Weise. Sie geht auf die Sechzig zu und will sich den Wunsch erfüllen, die Polarlichter zu sehen. Ihre Tochter Jihye wünscht sich allerdings, dass Hyokyung auf ihren Enkel aufpassen soll. Aber diese möchte sich nicht dazu drängen lassen und macht sich mit ihrer Schwiegermutter, die zwanzig Jahre älter ist und mit der sie zusammenlebt, auf den Weg nach Kanada, um sich die Polarlichter anzusehen.
Vom Autorendasein
Eine Besonderheit bildet die Geschichte Trotz, in der eine junge Autorin erzählt, wie es ihr nach dem Erfolg ihres ersten Buches erging und wie sie sich unterschiedlichen Hasskommentaren gegenübersah. Sie berichtet davon, dass Hass und Missverständnisse nicht nur von anonymen Personen ausgehen, sondern auch im eigenen Umfeld entstehen können. Reflektiert wird, was es bedeutet, über eigenes Erlebtes und generelle Zustände zu schreiben, wie man mit der Identität als Autorin umgehen und diese von sich trennen kann, aber auch, wie man sich mit Geschichten anderer auseinandersetzt. So kritisiert ihre ehemalige Lehrerin – die ihr etwas aus ihrer Vergangenheit anvertraut hat – die Autorin auf folgende Weise:
„Jetzt, wo du auf deinem hohen Schriftstellerinnen-Podium stehst, kannst du auf die Frauen, die sich unten abmühen, herabschauen, was? Du meinst, du kannst das Ganze einfach so mit einem Label ‚universell‘ oder ‚alltäglich‘ zurechtbiegen? Seid ihr überhaupt dazu imstande, euch vorzustellen, du und deine Leser, dass die Frauen auf dieser Welt sich voneinander unterscheiden, dass jede mit ihrem ganz eigenen Schmerz fertigwird?“
Gedanken, mit denen man sich als Autor eventuell auch selbst konfrontiert sieht – auch Cho Nam-Joo, denn die Geschichte weist autobiografische Züge auf. Cho schließt ab mit den Worten: „Dass wir Ähnliches erlebt haben, ja, aber dass das nicht heißt, dass wir ein und dieselbe Person sind.“
In der letzten der Geschichten geht es beispielsweise um ein junges Mädchen, dass mit ihrem Freund zusammenkommt. Corona stellt die beiden allerdings vor viele Schwierigkeiten, da sie sich nicht mehr so oft sehen können. Ob erste Liebe, Freundschaften oder beruflich – Corona hat uns wohl allen vieles erschwert. Damit greift Cho auch ein sehr aktuelles Thema auf.
Insgesamt bietet das Buch viele verschiedene interessante Perspektiven, über die man sonst vielleicht nicht nachdenken würde. Nicht nur eine thematische Vielfalt wird dadurch geliefert, auch eine formale, denn jede der Kurzgeschichten hat ihre eigene Erzählweise, sodass man immer darauf gespannt sein kann, was einen als nächstes erwartet.
Cho Nam-Joo: Miss Kim weiß Bescheid. Aus dem Koreanischen von Inwon Park
Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten
Preis: 22,00 Euro
ISBN: 978-3-462-00349-9