Dracula ist heute vermutlich einer der bekanntesten Vampire der Literatur. Die Geschichte rund um den scheinbar unsterblichen Grafen stammt aus der Feder von Bram Stoker. Am 20. April 1912 starb Stoker in London – sein heutiger Todestag ist also ein guter Grund, um an sein Werk zu erinnern.
von VIKTORIA GORETZKI
Abraham „Bram“ Stoker wurde am 8. November 1847 in Clontarf bei Dublin geboren. Er war das dritte von insgesamt sieben Kindern und litt in seinen ersten Lebensjahren unter einer mysteriösen Krankheit, die seine Familie und seine Ärzte vor mehrere Rätsel stellte. Bis zu seinem siebten Lebensjahr konnte Stoker weder allein gehen noch stehen. Die ersten Jahre seiner Kindheit wurden für ihn zu einer traumatischen Erfahrung, welche er später in seinen Texten verarbeitete. Genauso unerklärlich wie die Krankheit selbst war auch die Heilung von dieser: Während seiner Schulzeit und seiner Zeit am Trinity College, an dem er von 1864–1870 Geschichte, Literatur, Physik und Mathematik studierte, spielte er sehr erfolgreich Fußball – etwas, das in seinen ersten Lebensjahren undenkbar gewesen wäre. Nach seinem Studium arbeitete Stoker unter anderem als Journalist und Theaterkritiker und schrieb für eine Dubliner Zeitung. Durch seine Liebe zum Theater entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft mit einem der berühmtesten Shakespeare-Darsteller des 19. Jahrhunderts: Henry Irving. Neben Stokers Arbeit am Lyceum Theater, welches er für einige Zeit leitete, verdiente er sich Geld als Buchautor dazu. Er interessierte sich sowohl für okkultistische als auch naturwissenschaftliche Phänomene und beschäftigte sich mit diesen Themen auch in seinen literarischen Werken. Einige seiner Texte können als frühe Science-Fiction bezeichnet werden, zum Beispiel The Lady of the Shroud. Den Durchbruch und großen Erfolg seines Romans Dracula, erstmals 1897 veröffentlicht, erlebte Stoker allerdings nicht mehr: Am 20. April 1912 starb er in London, über seine Todesursache gibt es nur Gerüchte. Auch heute noch wird Stoker viel rezipiert: Neben zahlreichen Dracula-Verfilmungen und Neuauflagen des Romans verleiht die Vereinigung der US-amerikanischen Horrorschriftsteller seit 1987 Stoker zu Ehren den Bram Stoker Award, den unter anderem auch Stephen King bereits erhalten hat.
Der Vater der Vampire
Graf Dracula ist heute vermutlich der bekannteste Vampir der Literaturgeschichte. 1870 traf Stoker den ungarischen Professor Arminius Vámbéry, welcher ihm die Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Drăculea erzählte. Angeblich soll Stoker seinen Vampir nach Vorlage des historischen Fürsten entwickelt haben, doch so ganz sicher ist das nicht. Dafür wurden nämlich zu wenige historisch belegbare Fakten von Vlad III. in den Roman eingearbeitet. Allerdings ist Dracula nicht der erste Vampir, der in einem Roman thematisiert wurde, aber vermutlich der Populärste. Als Gründerväter des modernen Vampirmythos können neben Stoker nämlich auch John Polidori und der irische Schriftsteller Sheridan le Fanu bezeichnet werden. Stoker kannte vor allem le Fanus Carmilla, dessen Titelfigur eine Vampirin ist. In einem ersten Entwurf seines Dracula Romans ließ er Jonathan Harker das Grab Carmillas besuchen und hatte den Text ebenfalls in der deutschen Steiermark angelegt. Allerdings änderte er dies später: Das unheimliche Zuhause Draculas verlegte er in seinen Überarbeitungen nach Transsilvanien und das erste Kapitel, in welchem Harker Carmillas Grab entdeckt, ist später als Kurzgeschichte mit dem Titel Draculas Gast veröffentlicht worden. Insgesamt arbeitete Stoker sieben Jahre an seiner außergewöhnlichen Geschichte. Der Roman hat nämlich keine feste Erzählinstanz, was das Leseerlebnis zusätzlich zu der Figur Draculas interessant macht. Er besteht aus einer Sammlung von Tagebucheinträgen, Mitschriften beziehungsweise Transkripten von Phonographaufzeichnungen, Briefen sowie Zeitungsartikeln, die die Figuren alle zu lesen bekommen, damit diese auf dem gleichen Wissensstand und über alle Geschehnisse informiert sind. Der Roman ist somit eine Mischung aus Schauergeschichte, Reise-, Liebes- und Abenteuerroman. Am 18. Mai 1897 wurde Dracula veröffentlicht – und seitdem immer und immer wieder. Und auch in der Filmindustrie ist die Geschichte rund um den transsilvanischen Vampir ein beliebter Stoff, der gern immer wieder aufgegriffen wird. Stokers 111. Todestag ist somit ein guter Anlass, um an ihn sowie seinen berühmten Vampir zu erinnern.
Ein paar Empfehlungen:
Bram Stoker: Dracula. Übersetzt von Ulrich Bossier
Reclam, 608 Seiten
ISBN: 978-3150203521
Preis: 12,00 Euro
Bram Stoker: Draculas Gast. Sechs Gruselgeschichten in einem Band. Übersetzt von Erich Fivian
Diogenes, 224 Seiten
ISBN: 978-3257240917
Preis: 11,00 Euro
Und ein Hingucker im Regal:
Bram Stoker: Dracula. Die große Schmuckausgabe. Übersetzt von Martin Engelmann, designet von Stefanie Bartsch
Coppenrath, 448 Seiten
ISBN: 978-3649642244
Preis: 35,00 Euro