Was bleibt, sind Erinnerungen

Abbas Khider: Der Erinnerungsfälscher; Cover: Hanser

Das Flucht nicht einfach ist, war klar. Aber wie schwer es sein kann, die alte Heimat hinter sich zu lassen und in einer neuen, fremden Umgebung von vorne anzufangen, davon haben die wenigsten Menschen eine Vorstellung. In Abbas Khiders neuem Roman Der Erinnerungsfälscher wird auf eindrucksvolle Weise die Zerrissenheit eines Geflüchteten zum Gegenstand gemacht.

von SHARLEEN WOLTERS

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Exil-Unikat-Vervielfältigungen

Usama Al Shahmani: Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt; Cover: Limmat Verlag

Ein irakischer Autor namens Dafer Schiehan lässt sein erstes Theaterstück im eigenen Land aufführen. Von da an ist er persona non grata, muss das Land verlassen und gelangt so in die Schweiz. Usama Al Shahmanis autobiografisch inspirierte Erzählung Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt zeigt uns eines der unzähligen einzigartigen Schicksale, die die Menschen über die Grenzen führen. Ein jedes Leben ein Unikat – das der Autor aber nicht zum ersten Mal in eine Geschichte gießt.

von THOMAS STÖCK

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Aus dem Süden was Neues

Goran Ferčec: Wunder wird es hier keine geben; Cover: Residenz Verlag

Goran Ferčecs Roman Wunder wird es hier keine geben ist eine dunkle Reflexion des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien: Unstimmigkeiten in der Einheit, eine bizarre Resolution und eine unappetitliche Geschichte. Dennoch führt sie am Ende genau dorthin, wo sie hingehört.

von NICK BIBIC

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„Hier endet das Menschlichsein, und damit das Menschsein“

Ljuba Arnautović: Julischnee; Cover: Hanser Verlag

In Junischnee thematisiert Ljuba Arnautović das abrupte Ende ihrer eigenen Kindheit durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs und dessen Schrecken. Nüchtern berichtet sie dabei vom Werdegang ihres Vaters und der von den Grauen überschatteten Beziehung ihrer Eltern. Als Leser fragt man sich: Wie konnte eine Ideologie das Leben und die Zukunft so vieler Menschen in kürzester Zeit unumkehrbar verändern und welche Gefühle muss dieses langjährige Geschehen ausgelöst haben?

von SELINA WAHLEN

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„Wenn ein Berg Brot daliegt, dann existiert die Welt.“

Anatoli Pristawkin: Schlief ein goldnes Wölkchen, Cover: Aufbau Verlag

In seinem Roman Schlief ein goldnes Wölkchen blickt Anatoli Pristawkin zurück in seine Kindheit und schildert mit der Geschichte der Kusmin-Zwillinge zugleich seine eigene wie auch die tausender anderer Waisenkinder rund um das Moskau der 40er Jahre. Eine Geschichte von Heimatlosigkeit, Hunger und der Deportation in den Kaukasus, in dem – vom Tschetschenien-Konflikt geschüttelt – das Versprechen eines neuen Lebens bestenfalls trügerisch erscheint.


von ANDREAS MARTIUS

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Weiße Westen, Persil sei Dank

"Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" am Musiktheater im Revier Foto: Karl und Monika Forster

“Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” am Musiktheater im Revier Foto: Karl und Monika Forster

„Darum lasst uns hier eine Stadt gründen. Und sie nennen Mahagonny. Das heißt: Netzstadt.“ Während die neu gegründete Stadt Mahagonny mitten im amerikanischen Nirgendwo ihr Netz auswirft und immer neue Bewohner einfängt, kann Jan Peters Inszenierung von Kurt Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen nur wenige Premierenbesucher fesseln. Weit entfernt von frenetischem Applaus, klatscht das Publikum eher höflich. Etwas euphorischer hätte es jedoch reagieren dürfen, zeigt das MiR doch ein mutiges Stück, in einer Inszenierung, die gern noch etwas mutiger hätte sein dürfen. 

von STEFAN KLEIN Weiterlesen

Die Fähigkeit, zu träumen – eine georgische Hommage an die Fantasie

Naira Gelaschwili: Ich fahre nach Madrid, Cover: Verbrecher

Mit ihrer nun erstmals auf Deutsch übersetzten Novelle Ich fahre nach Madrid verdeutlicht Naira Gelaschwili durch einfache Mittel und zugleich auf eindrückliche Weise den Wert der Fantasie. Sie präsentiert ein sprachliches Gemälde, das zum Mitträumen einlädt.

von ALINA WOLSKI Weiterlesen

Tibet is burning

Marvin Litwak: Pawo

Was muss geschehen, damit ein Mensch sich selbst verbrennt? Marvin Litwaks auf einer wahren Begebenheit beruhender Debütfilm Pawo schildert in eindrucksvoll tiefgründiger Weise den Kampf eines jungen Tibeters für seine Freiheit. Ein eindringliches Kinoerlebnis.

von ALINA WOLSKI Weiterlesen

Freiheit zwischen den Fronten

Milan Dekleva – Die Weltbürgerin. Ein Roman über Alma M. Karlin Cover: Drava

Milan Deklevas Die Weltbürgerin. Roman über Alma Karlin ist Mittler zwischen Kulturen. Dekleva und sein Übersetzer Klaus Detlef Olof vollführen eine sprachliche Annäherung an die Andersheit und den Nonkonformismus der Globetrotterin Alma Karlin. Ihr persönliches, tragisch endendes Schicksal wird zum Ausgangspunkt einer Aussöhnung – zwischen der deutschen und slowenischen Sprache sowie zwischen Karlins Werk und dessen Rezeption. Das Buch selbst wird zum Denkmal an eine Vergessene. 

von THOMAS STÖCK  Weiterlesen

“Heimatlosigkeit muss nicht falsch sein”

COVER_Ilija Trojanow_Nach der Flucht_FischerFlucht und Vertreibung hat es schon immer gegeben. Viele Medien reißen sich um
Geschichten von Flüchtenden, suchen die dramatischsten Bilder und wetteifern um die authentischsten Interviews. Ganz anders bearbeitet Ilija Trojanow das Thema in Nach der Flucht. Ihm geht es explizit nicht um das Flüchten im herkömmlichen Sinne, obwohl sein Werk dieses Wort im Titel trägt. Zentral ist für ihn das, was nach der Flucht übrig bleibt. Damit stellt er eine spannende, andere Perspektive auf die Thematik dar, die demgegenüber jedoch sprachlich häufig hinterherhinkt.

von ALINA WOLSKI Weiterlesen