Dr. Überlebenskampf, oder wie ich lernte mit der Bombe zu leben

John Hersey: Hiroshima, Cover: Jung und Jung Verlag

Angesichts der aktuellen Nachrichtenlage wirkt ein Buch über einen Atombombenabwurf vielleicht nicht auf jedermann wie die ansprechendste Lektüre. Für John Herseys Reportage Hiroshima lohnt es sich aber, die Komfortzone zu verlassen. Leserinnen und Leser erwartet kein billiger Katastrophenvoyeurismus, sondern ein Vorzeigestück in der Verbindung von Journalismus und romanhafter Erzählweise.

von CAROLIN KAISER

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Herr Theodor Fontane aus der Fontane-Stadt

Theodor Fontane – Gemälde von Carl Breitbach, 1883

Kaum ein deutscher Schriftsteller wird mehr mit dem poetischen Realismus in Verbindung gebracht als er: Theodor Fontane. Mit zahlreichen Gedichten, Erzählungen oder Fortsetzungsromanen entführt Fontane auch jetzt noch begeisterte Leser und Leserinnen aus ihrem Alltag. Heute wäre der Schriftsteller 203 Jahre alt geworden – ein guter Grund, um sich ihn und seine Texte näher anzusehen.

von VIKTORIA GORETZKI 

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Kommatakoma im Kriegsgebiet

Gabriele Riedle: In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg; Cover: Die Andere Bibliothek

Seit Februar dieses Jahres hat der Krieg in Europa wieder Konjunktur. Weltweit gesehen hatte er allerdings leider nie eine Rezession. Frisch versorgt mit Nachrichten und Erzählungen aus den Krisenherden der Welt werden wir von Journalistinnen und Journalisten, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um den Krieg und seine Gesichter in unsere Friedenszeitungen zu bringen. Gabriele Riedle – selbst eine solche Kriegsreporterin – hat in In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg. Eine Art Abenteuerroman ihre Erlebnisse in diesem außerordentlichen Beruf in Romanform verarbeitet. Ein Roman, der es ebenso zu Recht auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2022 geschafft hat, wie er zu Unrecht nicht auf seine Shortlist gesetzt wurde.

von CAROLIN KAISER

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Deutschland, einig Hungerland

Stig Dagerman: Deutscher Herbst; Cover: Guggolz Verlag

Der 75-jährige Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs war zwar schon letztes Jahr, das hält die deutschsprachige Verlagslandschaft aber nicht ab, uns auch dieses Jahr noch mit ausländischen Reiseberichten aus dem Deutschland der Stunde Null zu versorgen. Neben George Orwell lädt uns auch Stig Dagerman mit Deutscher Herbst (schwed. Originaltitel: Tysk Höst. Resereportage från Tyskland 1946) ein, ihn auf eine Reise in deutsche Mondlandschaften zu begleiten. Uns erwarten: sehr viel Schutt, sehr viel Hunger, ein sprachliches Ausnahmetalent und die verschwimmende Grenze zwischen Journalistendasein und Literatentum.  

von CAROLIN KAISER

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Sechs Kosmopoliten suchen einen Mörder

Maxim Biller – Sechs Koffer Cover: Kiepenheuer & Witsch

Sechs Koffer ist wahrlich alles andere als Unterhaltungslektüre. Das Vermächtnis des Großvaters Schmihl und die Widerfahrnisse der Familie Biller auf dem Weg aus Prag in den Westen zeichnen das Porträt einer nicht gerade sympathischen Familie, die den teils lebensbedrohlichen Schikanen des Kommunismus zu entrinnen sucht. Mit seinem direkten – man ist dazu verleitet zu sagen: beinahe ordinären – Sprachstil bewegt sich Maxim Biller irgendwo zwischen Krimi, Agententhriller und Familientragödie.

von THOMAS STÖCK Weiterlesen

Selbstkreierte Lügenpresse

Jan Neummans "Bombenstimmung" bei den Ruhrfestspielen Foto: Luca Abbiento

Jan Neummans “Bombenstimmung” bei den Ruhrfestspielen Foto: Luca Abbiento

Was tun, wenn die Leserzahl der eigenen Zeitung fortwährend abnimmt? Wenn in der Redaktion der ostdeutschen Kleinstadt keine bedeutenden Nachrichten mehr eintreffen und die Fusion mit einem größeren Blatt droht? Man erschafft sich die Schlagzeilen einfach selbst und liefert damit als Lügenpresse Kanonenfutter für die Rechten. Was nach politischer Brisanz klingen könnte, ist in Jan Neumanns Auftragswerk Bombenstimmung zu einer soliden, aber harmlosen und zum Teil überzogenen Komödie geworden – was nicht zuletzt an Hasko Weber liegt, der jetzt die Uraufführung mit seinem Weimarer Ensemble bei den Ruhrfestspielen inszenierte.

von ANNIKA MEYER Weiterlesen

Das ist noch nicht das Ende

cover_can-duendar_lebenslang-fuer-die-wahrheitVoll von unglaublicher Besonnenheit und ansteckendem Optimismus strotzen die Tagebuchaufzeichnungen von Can Dündar. Umso unfassbarer ist das, wenn man bedenkt, wo diese entstanden sind: im Gefängnis.

von ESRA CANPALAT Weiterlesen

Schweizerische Verschwörungen

Martin Suter - Montecristo   Cover: DiogenesDie Schweiz bietet neben Bergen, Käse mit vielen Löchern und treffsicheren Nationalhelden einigen Anlass, interessante Geschichten zu erzählen, denn mitten in Europa schlägt sein finanzielles Herz. Im Umfeld von Finanzkrisen, Steuerdaten-CDs und Geheimdienstskandalen findet sich das kleine Land einmal mehr im Zentrum einer Welt, deren Regeln den Nichteingeweihten – und damit dem größten Teil jeder potentiellen Leserschaft – mehr als obskur erscheinen. Martin Suter mag mit Montecristo der einzige Romancier sein, dem es gelingt, aus dieser Situation einen eleganten Verschwörungsplot zu spinnen, ohne der Versuchung zu erliegen, gleich ein Tom-Cruise-Film-gerechtes Drehbuch abzuliefern.

von SOLVEJG NITZKE Weiterlesen

Das Gonzo-Prinzip oder „Wenn einer ein Arschloch ist, dann ist das eben so“

Spies, Miriam (Hg.) - Fledermausland   Cover: gONZo-VerlagWenn Sie nicht gerne Texte über Drogen und Ficken, über alltägliche Paranoia, ausgelöst durch das Versprechen von mehr Sicherheit statt Freiheit, über Privates und Politisches und über die Zusammenhänge dazwischen lesen, dann lassen Sie gefälligst die Finger davon. Alle anderen könnten in der Anthologie Fledermausland fündig werden.

von KAI FISCHER Weiterlesen

Auf ein literarisches American Breakfast KW 7

Titelblatt zu den Essais von Michel de Montaigne    Quelle: WikimediaCommons User LewensteinGestatten: Fischer. Und hiermit sollen die Gemeinsamkeiten zwischen meiner Kolumne und der von Frau Hemgesberg auch schon enden. Ich möchte Sie hier und heute zu einem Ausflug einladen, der uns jetzt und in den vier folgenden Kolumnen in die Vereinigten Staaten führt. Ok, jetzt aber wirklich anders. Wie angekündigt soll es um die Tradition des Essays gehen, allerdings muss ich das an dieser Stelle bereits einschränken, da ich ausschließlich gegenwärtige amerikanische Autoren vorstellen werde. Also, wenn Sie das interessiert, stellen Sie das Rauchen ein und bringen Sie Ihren Sitz in eine aufrechte Position. Wir heben dann ab.

von KAI FISCHER

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