Wenn der Clown zum Mörder wird

Der Bajazzo, Aalto-Musiktheater Essen (Foto: Matthias Jung)

Die neue Version der ebenso dramatischen wie kurzen Oper Der Bajazzo (Pagliacci) am Aalto-Musiktheater Essen ist vor allem eines: bildgewaltig. Regisseur Roland Schwab geizt nicht mit Lichtstimmungen, filmischen Kulissen und Requisiten. Während Robert Jindra die bestens disponierten Essener Philharmoniker souverän-temperamentvoll durch die Partitur von Leoncavallo führt, lassen die Sänger:innen einige Wünsche offen.

von HELGE KREISKÖTHER

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„Wenn ein Berg Brot daliegt, dann existiert die Welt.“

Anatoli Pristawkin: Schlief ein goldnes Wölkchen, Cover: Aufbau Verlag

In seinem Roman Schlief ein goldnes Wölkchen blickt Anatoli Pristawkin zurück in seine Kindheit und schildert mit der Geschichte der Kusmin-Zwillinge zugleich seine eigene wie auch die tausender anderer Waisenkinder rund um das Moskau der 40er Jahre. Eine Geschichte von Heimatlosigkeit, Hunger und der Deportation in den Kaukasus, in dem – vom Tschetschenien-Konflikt geschüttelt – das Versprechen eines neuen Lebens bestenfalls trügerisch erscheint.


von ANDREAS MARTIUS

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Sex, Lügen und Revolution oder love, peace and understanding?

Laurie Penny: Unsagbare Dinge // Quelle: Nautilus

Patriarchat ist Schnee von gestern? Oder das Problem der Anderen? Feminismus bei uns bloß noch eine Frage von Quoten und Elternzeiten? Laurie Penny räumt in Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution mit verbreiteten Irrtümern auf und erinnert daran, dass Feminismus und solide Kapitalismuskritik einander brauchen.

von ALEXANDER THINIUS

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west off 2015 – zwischen geteilter Verantwortung und geplantem Zufall

west off 2015Das Theaterfestival west off 2015 geht zu Ende. Mit dem Theatergame regere der Gruppe Progranauten sowie der Performance Feeding Fears von A Barrel of Monkeys verhandelt das FFT Düsseldorf komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge – auf der Bühne und außerhalb: So fragt es u. a. nach der Bedeutung des Zufalls, nach Privilegien und nach dem Gefühl, regiert zu werden.

von CHRISTOFER SCHMIDT und PHILIPP HANKE Weiterlesen

Von Freiheit und Verlust

Cover_KarenKoehler_Wir haben Raketen geangelt_Carl HanserFast täuscht der Titel über die Ernsthaftigkeit der Erzählungen hinweg. Aber Wir haben Raketen geangelt versammelt Geschichten, die nicht bloß in lieben Erinnerungen schwelgen, sondern sich erzählend solchen Situationen annehmen, die zwischen dem Alltäglichen und dem Extremen aufgespannt werden. Indianer und Vespafahrten, Familienportraits und Eremiten sind Themen und formgebende Elemente dieser Kurzgeschichten, denen gemeinsam ist, dass ihre Protagonisten und Erzählerinnen sich der Aufgabe stellen, sich am eigenen (Kinder-)Anspruch zu messen.

von SOLVEJG NITZKE Weiterlesen

Alte Meister, lebende Tote

Alexander Schimmelbusch – Die Murau Identiät Quelle: Metrolit Verlag „Seine Haare waren voller geworden und nicht mehr grau, sondern silbern, er trug ein weißes Hemd, eine navyblaue Krawatte, die Patek Philippe mit Verlagssignet, die ich ihm zur Genesung geschenkt hatte, und obwohl wir immer so formell gewesen waren, konnte diesmal auch Thomas Bernhard nicht anders, er sprang auf und wir schlossen uns fest in die Arme.“ Beim Lesen dieser Worte fällt dem Erzähler in Alexander Schimmelbuschs Die Murau Identität vor Schreck doch fast das Weinglas aus der Hand: Thomas Bernhard lebt.

von MARK SCHMITT

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Joseph Roths Hiob – Ein Roman zwischen Krise und Wunder

Flickr.de; Quelle kellerabteil

Flickr.de; Quelle kellerabteil

Zusammen mit seinem Radetzkymarsch bildet der 1930 erschienene Roman Hiob. Roman eines einfachen Mannes das Hauptwerk Joseph Roths. Moses Joseph Roth (1894-1939) stammt aus einer ostgalizischen Kleinstadt, doch verkehrt schon früh in den Metropolen Europas. Bereits in seinen Erfolgsjahren zeichnet sich sein späterer sozialer Abstieg ab. Roths Werk ist gleichermaßen geprägt vom aktuellen Krisenbewusstsein und der Hoffnung auf ein Wunder.

von LARA THEOBALT

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Der Frosch, der Wolf, der Bär und die griechische Krise

Edit Engelmann - Schulden am Olymp. Tagebuch eines Frosches   Cover: GrößenwahnWie lebt es sich als Frosch? Wenn man ausbaden muss, was Wolf und Bär einem eingebrockt und der Affe verschwiegen hat? Edit Engelmann weiß es. In Krise! Krise! Schulden am Olymp. Das Tagebuch eines Frosches gibt sie dem griechischen Frosch eine Stimme. Die Rollen sind klar verteilt: der Wolf in der Politik auf der einen Seite, der Bär im Finanzwesen auf der anderen und dazwischen der kleine Frosch von der Straße. Was klingt wie eine äsopsche Fabel, ist Engelmanns Versuch mit dem Bild Griechenlands und dessen Krise in den (deutschen) Medien aufzuräumen.

Dieses Buch entstand, weil sie dem Leser zeigen wollte „was nicht in den Zeitungen steht, was an Informationen unterschlagen wird.“ Und auch, weil sie findet, dass „auch der deutsche Frosch wissen sollte, was der griechische Frosch denkt.“ So von Frosch zu Frosch eben.

von VERENA SCHÄTZLER

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Das große Frösteln

Die Finanzkrise ist in der Belletristik angekommen. Eine ihrer vielen literarischen Stimmen ist der isländische Schriftsteller Guðmundur Óskarsson, Jahrgang 1978, dessen dritter Roman Bankster Islands großes Bankensterben im Herbst 2008 aus einer sehr persönlichen Perspektive betrachtet und dafür mit dem Isländischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Er erzählt die Geschichte des jung-dynamischen Paares Markús und Harpa, die über Nacht ihre lukrativen Jobs als Bankangestellte verlieren und sich mit der neuen Situation arrangieren müssen. Während Harpa schnell eine Anstellung als Aushilfslehrerin findet, kommt Markús kaum noch von der Couch herunter und lässt sich hängen. Auf den Rat eines Freundes hin beginnt er, Tagebuch zu führen. Bankster ist dieses Tagebuch.

Von PETER VIGNOLD

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