Ein Tanz in Ketten

R. F. Kuang: Babel; Cover: Harper Collins

Wie der Titel des Romans bereits vermuten lässt, beschäftigt sich Babel: Or the Necessity of Violence: An Arcane History of the Oxford Translators’ Revolution mit der zwingenden Macht von Sprache. Rebecca F. Kuang denkt die Geschichte des britischen Imperiums neu: In ihrem Großbritannien des 19. Jahrhunderts dreht sich alles um die Übersetzung. Der Staat zieht seine Macht aus der Magie, die den zwischen Sprachen verloren gehenden Sinn einfängt. Trotz einiger gestalterischer Schwächen gelingt es Kuang, eine eingehende Betrachtung der Zusammenhänge von Sprache, Kolonialismus und der Notwendigkeit des Widerstands anzustellen.

von JOAH KULMS

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Im Labyrinth des flüchtigen Seins

"Moments of Being" von kaleidoskop beim west off-Festival Foto: Annika Meyer

“Moments of Being” von kaleidoskop beim west off-Festival Foto: Annika Meyer

Das Theaterfestival west off beschäftigt sich in diesem Jahr unter anderem mit der (De-)Konstruktion unserer Wahrnehmung und dem Begriff der Wirklichkeit. In diesem Rahmen zeigt das Kollektiv kaleidoskop seine „theatrale Rauminstallation“ Moments of Being und präsentiert dem Publikum eine sehr persönliche Annäherung an Virginia Woolfs Schreiben und (künstlerisches) Erleben.

von ANNIKA MEYER Weiterlesen

I AM WRITING WITH A PURE HEART

nomerMaids' "Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt" an der Studiobühne Köln

nomerMaids’ “Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt” an der Studiobühne Köln

Im Zuge des Theaterszene Europa Festivals beherbergte die Studiobühne Köln das Berliner Kollektiv nomerMaids mit ihrem Stück Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt. Panni Néder ist nicht nur Regisseurin des Stückes, das als szenische Lesung einst seinen Anfang nahm, sondern ebenso dessen Verfasserin. Ein mitreißender Sprachfluss, der die Grenzen und utopischen Weiten von Ausdruck und Kommunikation gewitzt und zugleich tiefgründig auslotet.

von SILVANA MAMMONE Weiterlesen

Tibet is burning

Marvin Litwak: Pawo

Was muss geschehen, damit ein Mensch sich selbst verbrennt? Marvin Litwaks auf einer wahren Begebenheit beruhender Debütfilm Pawo schildert in eindrucksvoll tiefgründiger Weise den Kampf eines jungen Tibeters für seine Freiheit. Ein eindringliches Kinoerlebnis.

von ALINA WOLSKI Weiterlesen

Schlaflose Nächte in einem abgründigen Labyrinth

"2666" am Schauspiel Köln Foto: Simon Gosselin

“2666” am Schauspiel Köln Foto: Simon Gosselin

Die Theateradaption 2666 von Julien Gosselin nach dem Roman des chilenischen Schriftstellers Roberto Bolaño ist ein bildgewaltiger Krimi, der eigentlich gar kein Krimi ist. Doch scheint die über achtstündige Inszenierung nichtsdestotrotz eine unendliche Suche, nicht nur der Figuren, sondern ebenso des Schriftstellers, Darstellers und Regisseurs zu sein, in deren Bann der Zuschauer von der ersten Sekunde gezogen wird. Das Schauspiel Köln beherbergte Gosselins Compagnie Si vous pouviez lécher mon cœur und zeigte das viersprachige Gastspiel (französisch, englisch, spanisch, deutsch) als einziges Theater in Deutschland. Dem Stück gebührend, wurde im Spielplan daraus nichts Geringeres als ein „Oster-Event“ inklusive kulinarisch-festlicher Grundversorgung.

von SILVANA MAMMONE Weiterlesen

„Über den Schatten einer Wolke, über das Lied eines Gedankens“

Vladimir Nabokov – Briefe an Véra Cover: Rowohlt

Liest man die Briefe eines Menschen, so erfährt man Grundlegendes über seine Persönlichkeit. Nabokovs Briefe an seine Frau sind Liebesbekundung, Reisebericht, und Zeitporträt in einem. Was sich als Konstante durch sein Leben zieht, ist die Liebe zu seiner Frau Véra. Ihr Verhältnis wird in den nun erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Briefen an Véra dokumentiert. Im unverkennbar brillanten Nabokov-Duktus eröffnen sie die Tür zu der vertrauten Atmosphäre einer über 50 Jahre währenden Beziehung.

von ALINA WOLSKI Weiterlesen

Ein junger Mann seziert seine Seele

Ein autofiktionaler Roman, der im realen Leben rechtliche Folgen hat – das gibt es selten. Der 24-jährige Schriftsteller Édouard Louis berichtet in seinem Werk Im Herzen der Gewalt von einer dramatischen Nacht an Heiligabend, die sein Leben und seinen Blick auf die Welt drastisch verändert hat. Gegen den Mann, der ihn vergewaltigt und beinahe ermordet hatte, hat er Anzeige erstattet – doch der wehrt sich gegen die Vorwürfe. 

Von HANNAH SCHMIDT Weiterlesen

“Heimatlosigkeit muss nicht falsch sein”

COVER_Ilija Trojanow_Nach der Flucht_FischerFlucht und Vertreibung hat es schon immer gegeben. Viele Medien reißen sich um
Geschichten von Flüchtenden, suchen die dramatischsten Bilder und wetteifern um die authentischsten Interviews. Ganz anders bearbeitet Ilija Trojanow das Thema in Nach der Flucht. Ihm geht es explizit nicht um das Flüchten im herkömmlichen Sinne, obwohl sein Werk dieses Wort im Titel trägt. Zentral ist für ihn das, was nach der Flucht übrig bleibt. Damit stellt er eine spannende, andere Perspektive auf die Thematik dar, die demgegenüber jedoch sprachlich häufig hinterherhinkt.

von ALINA WOLSKI Weiterlesen

Wut, Rage und Frustration

"Wut/Rage" bei den Ruhrfestspielen Foto: Krafft Angerer

“Wut/Rage” bei den Ruhrfestspielen Foto: Krafft Angerer

Als eine der zwei letzten Premieren der diese Spielzeit sehr politischen und überaus erfolgreichen Ruhrfestspiele wurde nun – zumindest in dieser Konstellation – eine Uraufführung aus dem Hamburger Thalia Theater auf die große Bühne in Recklinghausen gebracht: Sebastian Nüblings und Julia Lochtes Konglomerat Wut/Rage von Elfriede Jelinek bzw. Simon Stephens mag thematisch harmonieren, scheitert jedoch an der exzessiven Wiedergabe, die oft den brisanten Inhalt der Textfragmente ver- und überspielt.

von ANNIKA MEYER Weiterlesen

“Das hier ist die neue Welt”

Fiston Mwanza Mujila - Tram 83 Cover: Zsolnay

Fiston Mwanza Mujila – Tram 83 Cover: Zsolnay

In seinem für den Man Booker Prize nominierten Debütroman Tram 83 entwirft der in Graz lebende kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila ein sprachgewaltiges, modernes Sodom. Nun wurde der bereits 2014 erschienene Roman vom Französischen ins Deutsche übertragen.

von LEONARD MERKES Weiterlesen