Mit 2020 liegt ein äußerst bewegtes Jahr hinter uns. COVID-19 hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt. Auch für 2021 werden durch die Pandemie notwendig gewordene Einschränkungen unseren Alltag langfristig bestimmen. Zugleich gibt es jedoch einen Hoffnungsschimmer am Horizont mit den zugelassenen mRNA-Impfstoffen, sodass vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft eine Normalisierung unseres Lebens beginnen kann. Doch ist da ja noch der Lockdown, dessen Verlängerung immer wahrscheinlicher scheint. Um die Zeit zu Hause ein wenig vergnüglicher zu machen, hat sich unsere Redaktion deshalb einige Empfehlungen für diese aufregende Zeit einfallen lassen. Wir wünschen Euch einen angenehmen Start in das neue Jahr, beste Gesundheit und natürlich viel Vergnügen bei der Lektüre!
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Hinter den Kulissen des Bauhauses
Zum 100. Bauhaus-Jubiläum 2019 erschien viel Neues, was sich mit dem Baustil der Klassischen Moderne, den prägenden Künstlern und der Kunstschule als solcher beschäftigt. Jana Revedins biografischer Roman Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus wirft einen allumfassenden und doch subjektiven Blick auf und hinter die Fassaden des Bauhauses. Die Protagonistin Ise Frank entlarvt, wie progressiv das Bauhaus unter ihrem Ehemann Walter Gropius tatsächlich war. Der Roman bleibt in diesen Schilderungen leider ziemlich oberflächlich.
von JASMIN GIERLING Weiterlesen
Ecce homo caesaris – Porträt des Kaisers als armes Geschöpf
„Ich bin ein Mensch und so dumm und schwach wie alle Menschen“, konstatiert der mittlerweile Augustus genannte römische Kaiser am Ende seines Lebens und blickt zurück auf ein Reich, das in der Weltgeschichte seinen ersten Höhepunkt erreichte. John Williams zeigt uns in Augustus das lange, traurige Leben eines Menschen, der sich seinen staatlichen Pflichten widmet wie ein Vater seinen Kindern – und unglücklich und zufrieden zugleich ankommt in der Erfüllung seines Schicksal.
von JONAS PODLECKI Weiterlesen
Das ist noch nicht das Ende
Voll von unglaublicher Besonnenheit und ansteckendem Optimismus strotzen die Tagebuchaufzeichnungen von Can Dündar. Umso unfassbarer ist das, wenn man bedenkt, wo diese entstanden sind: im Gefängnis.
von ESRA CANPALAT Weiterlesen
Larger than life
Wolfgang Herrndorf starb im August 2013. Wenige Wochen vor seinem Tod gab er das Fragment Isa zur Veröffentlichung frei, das nun unter dem Titel Bilder deiner großen Liebe erschienen ist. Der unvollendete Roman erzählt, was die Ausreißerin Isa erlebt, bevor sie auf Andrej Tschichatschow und Maik Klingenberg trifft – der Text ist aber kein bloßes Tschick-Spin-Off, sondern eine literarische Supernova.
von LINA BRÜNIG
Von Freiheit und Verlust
Fast täuscht der Titel über die Ernsthaftigkeit der Erzählungen hinweg. Aber Wir haben Raketen geangelt versammelt Geschichten, die nicht bloß in lieben Erinnerungen schwelgen, sondern sich erzählend solchen Situationen annehmen, die zwischen dem Alltäglichen und dem Extremen aufgespannt werden. Indianer und Vespafahrten, Familienportraits und Eremiten sind Themen und formgebende Elemente dieser Kurzgeschichten, denen gemeinsam ist, dass ihre Protagonisten und Erzählerinnen sich der Aufgabe stellen, sich am eigenen (Kinder-)Anspruch zu messen.
von SOLVEJG NITZKE Weiterlesen
Mein Bruder, der Rockstar
„Stell dir vor, mit allem, was dir vorangegangen ist, anstellen zu können, was immer du willst. […] Stell dir absolute Freiheit vor.“ Was wäre, wenn man seine eigene Vergangenheit noch einmal neu erfinden könnte? Wo hört die ,Realität‘ auf und wo beginnt die Fiktion? Und was ist das überhaupt, Erinnerung? Der Roman Glorreiche Tage der New Yorker Autorin Dana Spiotta stand 2011 bereits auf der Liste des US-amerikanischen National Book Critics Circle Award. Nun ist er auch auf Deutsch erschienen, übersetzt von SPEX-Mitbegründerin Clara Drechsler und ihrem Partner Harald Hellmann.
von ANNA-LENA BÖTTCHER Weiterlesen
Anjas Geschichte, von Mischa erzählt
Wie geht man damit um, wenn sich die Ehefrau das Leben nimmt? Das Buch über Anna des russischen Philosophen Michail Ryklin ist nicht nur die Dokumentation einer Spurensuche nach möglichen Gründen, sondern auch eine Liebeserklärung an die Frau, mit der er 33 Jahre zusammengelebt hat. Entstanden ist eine intime, aber niemals voyeuristische Bestandsaufnahme eines gemeinsamen Lebens, die bewegend ist, ohne kitschig zu sein. Und doch bleibt der Leser mit zwiespältigen Gefühlen zurück.
von KAI FISCHER
„Ein letzter Triumph des Geistes über das Gemüse“
Paradox für den Leser: Arbeit und Struktur von Wolfgang Herrndorf ist ein bewegender und innovativer Text – von dem man sich wünscht, der Autor hätte ihn nie verfassen müssen. Denn der Schreibanlass war die Diagnose eines unheilbaren Gehirntumors im Jahr 2010. Nach Herrndorfs Selbstmord im August des vergangenen Jahres erscheint sein Blog nun bei Rowohlt in Buchform.
von LINA BRÜNIG
Dies ist nicht mehr meine Zeit
1960 erscheint ein Aufruf in der Moskauer Zeitung Iswestija, Schriftsteller „mögen einen Tag dieses Jahres, nämlich den 27. September, so genau wie möglich beschreiben.“ Diese Idee ist nicht neu, sie geht zurück auf das Projekt Ein Tag der Welt von Maxim Gorki aus dem Jahr 1935. Christa Wolf folgt dem Aufruf – und schreibt weiter. Immer wieder protokolliert sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2011 ihren 27. September. Sie schreibt gegen das Vergessen, über das Ich „eingebettet in, gebunden an seine Zeit.“
von KATJA PAPIOREK