Gemeinsam einsam

Mieko Kawakami: All die Liebenden der Nacht, Cover: DuMont

Einsamkeit ist nicht nur ein Problem alter Leute, deren Bekannten- und Freundeskreis langsam ausstirbt. In All die Liebenden der Nacht verdeutlicht Mieko Kawakami das anhand einer Lektorin Mitte 30, die jenseits ihrer Arbeit sozial völlig isoliert ist. Kawakami verwebt die Themen Einsamkeit, Frausein und Alkoholismus zu einem Roman, der an vielen Stellen überzeugt, es jedoch nicht durchgehend schafft, die Tiefe der angesprochenen Themen zufriedenstellend auszuleuchten.

von CAROLIN KAISER

Weiterlesen

Der Absturz des Schwebenden

Dževad Karahasan: Einübung ins Schweben, Cover: Suhrkamp

Alles andere als leichte Kost: Dževad Karahasans Werk Einübung ins Schweben erörtert existenzielle Fragen vor der Kulisse des belagerten Sarajevos während des Bosnienkrieges. Der Roman des jüngst verstorbenen bosnischen Schriftstellers liefert Denkanstöße, kann sprachlich jedoch nicht auf ganzer Linie überzeugen.

von NICOLAS UHRBERG

Weiterlesen

Dr. Überlebenskampf, oder wie ich lernte mit der Bombe zu leben

John Hersey: Hiroshima, Cover: Jung und Jung Verlag

Angesichts der aktuellen Nachrichtenlage wirkt ein Buch über einen Atombombenabwurf vielleicht nicht auf jedermann wie die ansprechendste Lektüre. Für John Herseys Reportage Hiroshima lohnt es sich aber, die Komfortzone zu verlassen. Leserinnen und Leser erwartet kein billiger Katastrophenvoyeurismus, sondern ein Vorzeigestück in der Verbindung von Journalismus und romanhafter Erzählweise.

von CAROLIN KAISER

Weiterlesen

Aller Anfang ist schwer (6): Welch Grausame Gnade

Chloe Gong: Welch Grausame Gnade, Cover: Lago Verlag

Wie viel verrät der erste Satz über das Ende eines Romans? So ziemlich nichts, denkt man wahrscheinlich beim Anblick des Einstiegs in Welch Grausame Gnade von Chloe Gong – doch trotzdem ist der Ausgang der Handlung zu erahnen. Denn im Wissen, dass es sich bei dem Roman um eine Neubearbeitung von Shakespeares Romeo und Julia handelt, tendieren wir zu der Annahme, das Ende der Geschichte bereits zu kennen. Aber nicht immer müssen unsere Erwartungen erfüllt werden. Manchmal hat der erste Satz rückwirkend betrachtet viel mehr Informationsgehalt als erwartet, manchmal ist der Handlungsverlauf noch überraschender und manchmal ist die Neubearbeitung eines kanonischen Werks wirklich neu.

von MAJA GRÜTER

Weiterlesen

Aller Anfang ist schwer (5): Hundert Jahre Einsamkeit

Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit; Cover: Fischer Verlag

Die Geschichte des biblischen Sündenfalls ist eine der bekanntesten Erzählungen der Menschheitsgeschichte. In Gabriel García Márquez‘ Roman Hundert Jahre Einsamkeit lösen die Blutsverwandten José Arcadio Buendía und Úrsula Iguarán durch ihre Ehe und einen Mord einen neuen Sündenfall aus. Zwischen dem Ciénaga Grande und der Sierra Nevada de Santa Marta gründen die beiden das Dorf Macondo, welches von der Außenwelt durch Sümpfe und Urwald abgeschnitten ist. Ein idyllischer Ort, um eine Familie zu gründen, doch der Schein trügt. Für die Buendías und ihre Nachkommen folgen hundert Jahre Schlaflosigkeit, Vergessen und Einsamkeit. 

von VANESSA MUSZARSKY  

Weiterlesen

Ukro-Karneval der Tiere

Mike Johansen: Die Reise des Gelehrten Doktor Leonardo und seiner zukünftigen Geliebten, der schönen Alceste, in die Slobidische Schweiz; Cover: Secession.

Einen Landschaftsroman schreiben – das klingt nach einem postmodernen Projekt, das auf die tagesaktuellen Krisen wie den Klimawandel und das Artensterben eingeht. Tatsächlich hat ein solches Vorhaben einer der wichtigsten Vertreter der ukrainischen Schriftstellerriege „Hingerichteten Wiedergeburt“ unternommen: Mike Johansen. In Die Reise des Gelehrten Doktor Leonardo und seiner zukünftigen Geliebten, der schönen Alceste, in die Slobidische Schweiz ist aber etwas faul mit den Figuren … Was sich wohl hinter deren maskenhaften Gesichtern verbirgt?

von THOMAS STÖCK

Weiterlesen

Podcast Literatur und Feuilleton – Folge 011: Verbotene Liebe

Lady Strachan and Lady Warwick making love in a park. Copyright: Wellcome Library, London.

Ein Blick und dann war es um sie beide geschehen. Wo die Liebe hinfällt, ist meist unergründlich. Wahrscheinlich kommt es genau aus diesem Grund immer wieder dazu, dass Menschen sich ineinander verlieben, obwohl ihre Mitmenschen genau das verhindern wollen. In einer Welt, die jahrhundertelang davon bestimmt war, dass Ehen zum Vorankommen der eigenen Familienbelange instrumentalisiert wurden, füllte die Liebe oftmals nur eine Nebenrolle aus. Und doch sind literarische Liebesbekundungen mindestens genauso alt wie Arrangements zur Verheiratung der Kinder. Und diese Liebesbekundungen waren übrigens schon seit der Antike nicht auf die Zweisamkeit von Mann und Frau gemünzt, sondern erfolgten ebenso zwischen zwei Männern wie zwischen zwei Frauen.

Weiterlesen

Kampf dem Kopftuch

Marjane Satrapi: Persepolis; Cover: Edition Moderne

2022 markiert eine Zeitenwende im Iran: Als Reaktion auf den Tod einer jungen Kurdin namens Mahsa Amini in der Gewalt der iranischen Sittenpolizei brechen sich landesweit Proteste Bahn. Frauen legen das Kopftuch ab, schneiden sich die Haare ab, Männer unterstützen sie auf den Straßen. Wie konnte es dazu kommen, dass das Schicksal der Iraner von religiösen Fanatikern bestimmt wurde? Diese und weitere Fragen beleuchtet Marjane Satrapi anhand ihrer eigenen Lebensgeschichte in der Graphic Novel Persepolis.

von THOMAS STÖCK

Weiterlesen

Erweckung eines einsamen Mädchens

Eeva-Liisa Manner: Das Mädchen auf der Himmelsbrücke; Cover: Guggolz

Leena ist von Traurigkeit geplagt. Die Protagonistin in Eeva-Liisa Manners Das Mädchen auf der Himmelsbrücke hat keine Freunde in der Schule, die ihre Lehrerin ihr zusätzlich zur Hölle macht. Auch zu Hause wartet auf sie nur ihre vom Leben enttäuschte Oma, deren Trübsal durch eine Diagnose von Epilepsie bei Leena noch verstärkt wird. Leena ergeht sich in kindlich-fantastischen Tagträumen, deren Strahlkraft jedoch durch ein musikalisch-religiöses Erweckungserlebnis überdeckt wird.

von THOMAS STÖCK

Weiterlesen

Zur Schlachtbank in die Wüste

Lauri Kubuitsile: Zerstreuung; Cover: InterKontinental

Für etwas Weidegrund und einen besseren Schutz vor Übergriffen zogen sie in den Krieg – und wurden beinahe vollständig vernichtet: Lauri Kubuitsile berichtet uns in Zerstreuung vom Völkermord an den Herero und kreuzt die Erlebnisse der Überlebenden Tjipuka und ihres Ehemanns Ruhapo geschickt mit der der Burin Riette, welche selbst durch einen Krieg in ihrem bisherigen Leben erschüttert wurde. Die geschickte Psychologisierung einer im Verfall begriffenen Familie führen uns vor Augen, wie furchtbar das ach so fortschrittliche deutsche Kaiserreich wider seinen schwarzen Mitbürgern verfuhr.

von THOMAS STÖCK

Weiterlesen